Meinung Theresa May, die neue starke Frau der Briten

Rund 17 Millionen Briten haben dafür gestimmt, die EU zu verlassen. Sie dachten, dass sie dafür eine andere Politik bekommen, denn Figuren wie Boris Johnson, Michael Gove und Nigel Farage haben es ihnen schließlich versprochen: eine strenge Begrenzung der Einwanderung, Geld für das Gesundheitswesen statt für Brüssel, keine Mehrwertsteuer auf Benzin.

Längst ist klar: Es war alles gelogen. Keinen Schimmer haben die Brexisten, wie sie mit ihrem Sieg umgehen sollen. Es gibt keine Strategie. Also haben sich die Herren aus dem Staub gemacht, allen voran Boris Johnson, Londons ehemaliger Bürgermeister.

Es wird eine Frau sein, die die Katastrophe als neue Premierministerin managen muss: Theresa May, bislang Innenministerin. Ihre einzig verbliebene Konkurrentin, Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom, hat sich überraschend schnell aus dem Rennen um die Nachfolge von Regierungschef David Cameron zurückgezogen. Nach dem Brexit-Votum brauche das Land rasch eine neue, starke Führung, begründete Leadsom ihren Schritt. Wohl wahr. Dass die Konservativen so kluge Köpfe an ihrer Spitze haben, lässt hoffen. Denn im Brexit-Wahlkampf wurde auf der Insel hemmungslos mit unlauteren Mittel gearbeitet: Gefühle statt Fakten. Es ging um das Schüren der Angst vor Einwanderern aus Osteuropa, um das Aufblasen des Nationalstolzes und um das Befeuern der Wut auf die Bürokraten in Brüssel. Der Brexit — ein Triumph des Egoismus.

Theresa May muss auf der Basis eines Trümmerhaufens Politik machen. Die 59-Jährige erinnert an Margaret Thatcher, die der EU einst den Briten-Rabatt abtrotzte. Pragmatisch, zupackend, wenig theatralisch. Für sie gibt es keinen Rücktritt vom Brexit, obwohl sie diesen Weg nicht gehen wollte. Vergangenen Herbst lehnte sie es ab, Flüchtlinge nach dem europäischen Verteilungsschlüssel aufzunehmen. In ihren Augen sind zu viele Menschen dabei, die ihr Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben. Diese Haltung gefällt den meisten Briten. May wird versuchen, Großbritannien im europäischen Binnenmarkt zu halten, aber die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einzuschränken. Darauf kann sich die EU nicht einlassen. Zu groß ist die Angst, dass andere Länder auf diesen unsolidarischen Zug aufspringen könnten. Harte Gespräche stehen an. Aber mit May gibt es in London in Kürze immerhin eine Regierungschefin, mit der sich seriös verhandeln lässt.

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