Stillstand ist für Weltmeister ein Rückschritt

Die DFB-Elf nach der Niederlage in Polen

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: Judith Michaelis

Joachim Löw schlürfte im Fernsehstudio von Warschau recht gelassen seinen gereichten Cappuccino. Mal ein Spiel zu verlieren, das keinen K.o.-Charakter hat — das wirft den Bundestrainer nicht mehr aus der Bahn. Löw ist Weltmeister, und wer den Bundestrainer in diesen herbstlichen Tagen der EM-Qualifikation nah erlebt, den umhüllt wohl auch zu einem guten Teil die Wolke, auf der der 54-Jährige noch immer schwebt. Das Motto des Erfolgreichen ist mehr als je zuvor: Was wir können, wissen wir. Was wir müssen, machen wir.

Ganz falsch liegt er damit nicht: Die erste Niederlage nach 33 nicht verlorenen Qualifikationsspielen in Folge ist gewiss noch auszumerzen, die Qualifikation lang — und sogar als Tabellendritter der Gruppe ist das Ziel noch erreichbar. Noch dazu hat sich die DFB-Elf auch in Warschau eine Vielzahl von Chancen erarbeitet und fußballerisch passabel agiert. So gesehen ist die Gelassenheit des Bundestrainers zu einem guten Stück nachvollziehbar.

Und doch: Wohl dem, der aus Selbstzufriedenheit nicht vergisst, dass Stillstand Rückschritt bedeutet.

Denn einige Baustellen im Team des Weltmeisters sind durchaus erkennbar und nicht mit einem Handstrich in blühende Landschaften zu verwandeln: Mit Philipp Lahm hat das Nationalteam den letzten Außenverteidiger von Format verloren. Was der Dortmunder Erik Durm an defensiven Mängeln mitschleppt, ist im Ausmaß nicht unerheblich. Gleiches gilt im offensiven Bereich für Löws Neuentdeckung Antonio Rüdiger auf der anderen Abwehrseite. Und so gesellt sich zum Schiefstand in der Abwehr eine gewisse Sorglosigkeit im offensiven Bereich, die alarmiert. Zumal sich der Bundestrainer um die Alternative des klassischen Abschlussstürmers permanent selbst bringt: Er lädt sie nicht sonderlich gerne ein.

Im Länderspiel am Dienstag gegen Irland wird sich zeigen, wohin der deutsche Fußball wenige Monate nach der Weltmeister-Nacht von Rio rollt. Ein wenig überzeugender Sieg gegen Schottland und eine Niederlage in Polen sind die bisherigen Qualifikations-Marken, die nicht grundlos stehen — und deshalb helfen können, von der Wolke wieder hinabzufinden.

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