Meinung Selbst handeln – mit einer Patientenverfügung

Meinung | Düsseldorf · Vor dem Bundesgerichtshof streitet ein Mann mit dem Arzt seines verstorbenen Vaters um Schadensersatz. Der Fall, in dem es um ein Ernährung per PEG-Sonde geht, sollte eine Mahnung zum Handeln sein.

 Symbolbild.

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Foto: Oliver Berg

Es gibt Menschen in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei deren Anblick man sich fragen mag: Sind das lebende Tote oder tote Lebende? Durch eine Sonde ernährt, nicht ansprechbar. Kaum mehr als körperliche Hüllen, an denen die Zeit vorbeistreift. Tage, Monate, Jahre. Bis das Herz dann doch irgendwann aufhört zu schlagen. Ist es Aufgabe oder Pflicht der Ärzte, dieses Scheinleben aufrechtzuerhalten? Eine generelle Antwort auf diese Frage kann es nicht geben.

So möchte ich nicht enden, werden wohl die meisten denken. Aber dann müssen sie es auch sagen. Das ist die Lehre aus dem in den nächsten Wochen vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall. Jeder sollte sich  rechtzeitig Gedanken machen. Vor allem: diese Gedanken festhalten in einer Patientenverfügung. Und damit Ärzten und Betreuern vorgeben, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist. Und damit entweder zum Ausdruck bringen, dass man solch eine Form von Leben für sich selbst nicht wünscht. Oder aber, dass man auch diese Art von Leben einem vorzeitigen Ende vorzieht.

Weil Betroffene vielfach selbst nicht darüber nachdenken, was sie wollen, stürzen sie andere in ein großes Dilemma. Den Betreuer, die Angehörigen, die nicht wissen, was sie tun sollen. Und den Arzt, der vor die Alternative gestellt ist: Beende ich die Sondenernährung und droht mir dann womöglich eine Strafverfolgung? Oder führe ich den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit auch ohne festgestellte Einwilligung des Patienten fort? Und setze ich mich auch damit einer Schmerzensgeldforderung oder gar einer Strafverfolgung aus?

In der Debatte um Sterbehilfe wird oft genug der Wille der Betroffenen missachtet. Das ist der Fall bei der Beihilfe zum Suizid, wo der Bundestag 2015 eine sehr rigide Regelung traf, die hoffentlich demnächst vom Bundesverfassungsgericht korrigiert wird. Und das ist auch der Fall bei einer Anweisung des Bundesgesundheitsministers, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu befolgen. Die Richter hatten gefordert, dass Sterbewilligen in Extremfällen behördlicherseits ein tödlich wirkendes Medikament zugänglich gemacht werden müsse. In diesen beiden Fällen missachtet der Staat den freien Willen der Menschen. Das darf nicht so bleiben.

In dem jetzt vom BGH zu entscheidenden Fall liegt die Sache aber anders. Der Wille des Patienten steht gerade nicht fest. Hier vom Arzt zu verlangen, sich gegen das Leben zu entscheiden, bürdet diesem eine zu große Last auf. Eine Last, die der Betroffene schon selbst auf sich nehmen und nicht bei anderen abladen sollte. Also: nicht das Urteil des BGH abwarten, sondern eine Patientenverfügung schreiben, lieber heute als morgen!

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