Meinung Kassen kontra Ärzte: Die Politik muss steuern

Meinung · Das Problem kennen viele Kranke: Weil der Job immer wichtiger ist, fehlt unter der Woche die Zeit für den Weg zum Arzt. Oft endet das Ganze dann am Wochenende in den Notaufnahmen der Kliniken. 20 Millionen Patienten werden dort jährlich behandelt, von denen aber nur 40 Prozent eine stationäre Versorgung brauchen.

 Kommentar Rolf Eckers

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Foto: Sergej Lepke

Folge dieser Fehlsteuerung: stundenlange Wartezeiten, die alle Beteiligten überfordern. Und eine gigantische Verschwendung von Geld. Es leuchtet also ein, wenn die gesetzlichen Krankenkassen von den niedergelassenen Ärzten mehr Flexibilität bei den Sprechstunden fordern. Geöffnete Praxen am frühen Abend, gerne auch samstags sowie mittwochs und freitags am Nachmittag. Am Arbeitsumfang muss sich deshalb nichts ändern. Eine Praxis, die am Wochenende Sprechstunden anbietet, kann dann eben an einem Wochentag geschlossen bleiben.

Reichen wird das aber sicher nicht. Hinzu muss eine Aufwertung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes kommen. Der ist außerhalb der üblichen Sprechzeiten für die Versorgung zuständig, aber oft nicht bekannt. Wer nachts, am Wochenende oder an Feiertagen mit hohem Fieber, starken Rückenschmerzen oder mehrfachem Erbrechen zu kämpfen hat, sollte die bundesweit einheitliche und kostenlose Rufnummer 116 117 wählen. Noch besser wäre es, den Bereitschaftsdienst und die Notfallambulanzen der Kliniken zu Notfallzentren zusammenzulegen. An einem Tresen wird dann entschieden, ob die Versorgung ambulant oder stationär erfolgt. Behandelt wird nach Dringlichkeit, nicht der Reihe nach.

Dass sich Kassen und Ärzte auf derart vernünftige Konzepte verständigen, ist wenig wahrscheinlich. Der Ton zwischen beiden Gruppen ist ruppig. Ohne das Eingreifen der Politik gelingt kaum etwas. Das gilt auch für die Verteilung der Ärzte. In Ballungszentren gibt es eine Überversorgung, weil dort angesichts vieler Privatpatienten die Verdienstmöglichkeiten besser sind. Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten Arztsitze aufkaufen und stilllegen, wenn Mediziner in Ruhestand gehen und es sich um Praxen in überversorgten Regionen handelt. Doch der Politik fehlt der Mut, das zwingend vorzuschreiben. Demgegenüber steht der Ärztemangel auf dem Land. Jeder dritte niedergelassene Mediziner ist inzwischen älter als 60 Jahre. Schließt die Praxis, übernimmt niemand. Offenkundig müssen die finanziellen Anreize verstärkt werden. Und es braucht Strukturen, die die Verteilung der Arbeit auf mehrere Schultern erlauben, damit der Praxisinhaber keine 60-Stunden-Woche hat. Dieses Landarztmodell früherer Jahre wirkt auf fast alle jungen Mediziner nur noch abschreckend.

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