Sorgerecht: Es fehlt der Mut zum großen Wurf

Gesetzentwurf zum gemeinsamen Sorgerecht ist halbherzig.

Die Zahlen — immer mehr nichtehelich geborene Kinder — sind eindeutig. Ebenso die Schlussfolgerung, die das Bundesjustizministerium daraus zieht: ein modernes Sorgerecht muss her. Doch bei dieser Modernisierung bleibt die Regierung auf halbem Wege stehen.

Gewiss ist es ein Fortschritt, wenn Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr nur dann erhalten, wenn sie sich darauf einigen. Gewiss ist es ein Fortschritt, dass die Mutter den Wunsch des Vaters, zu seiner Verantwortung zu stehen, nicht mehr einfach abblocken darf.

Doch eben diese Reformfortschritte hatten doch schon höchste Gerichte eingefordert. Von den Politikern hätte man erwarten dürfen, dass sie nun auch wirklich ernst machen mit dem gemeinsamen Sorgerecht.

Doch nach dem Gesetzesplan gibt es kein automatisches Sorgerecht auch des Vaters, wenn sich die Mutter querstellt. Stattdessen muss er zum Familiengericht gehen. Der Richter wird dabei als eine Art Verwaltungsbehörde missbraucht und soll den Antrag ohne große Prüfung durchwinken. Besser wäre der umgekehrte Weg: Ist die Vaterschaft unbestritten, so gilt das gemeinsame Sorgerecht automatisch. Gefällt das einem der Partner nicht, wird die Sache ernsthaft geprüft — unter Hinzuziehung der Experten des Jugendamts. Und nicht in einem nur summarischen Verfahren.

Beim Sorgerecht geht es um das Kindeswohl. Dieses Kindeswohl aber ist nicht davon abhängig, ob die Eltern verheiratet sind (automatisches Sorgerecht) oder nicht. Eltern sind Eltern, weil sie Kinder haben — nicht, weil sie verheiratet sind.

Statt einer halbherzigen Regelung sollte man sich zu einem echten gemeinsamen Sorgerecht auch nicht verheirateter Eltern bekennen. Dass es genauso Fälle gibt, in denen sich ein Partner seiner Verantwortung entzieht, kann nicht dafür herhalten, dass alle anderen ihr Recht erst beantragen müssen.

Auch für die Frau ist das geplante Verfahren alles andere als glücklich: Sie, die nach der Geburt ohnehin großem Stress ausgesetzt ist, soll sich innerhalb einer Sechs-Wochen-Frist auch noch rechtlich wehren. Sie soll schriftlich vortragen, was gegen ein gemeinsames Sorgerecht spricht. All das klingt doch sehr nach Praxisferne.

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