Meinung Vom Saulus zum Paulus – Söder und die neue CSU

Meinung | Berlin · So ändern sich die Zeiten. Ein Jahr ist es her, da stand die Große Koalition auf der Kippe wegen des erbitterten Unionsstreits. Und heute? Heute ist die CSU handzahm wie selten. Ein Kommentar.

 CSU-Chef Markus Söder und sein Vorgänger Horst Seehofer.

CSU-Chef Markus Söder und sein Vorgänger Horst Seehofer.

Foto: dpa/Matthias Balk

Oft versprochen und fast immer gebrochen: Wie ein „schnurrendes Kätzchen“ werde sich die CSU künftig verhalten, gelobte Horst Seehofer mehrfach in den vergangenen Jahren. Daraus wurde dann meist nichts. Es hat des personellen Wechsels an der CSU- und auch der CDU-Spitze bedurft, dass die Bayern inzwischen nicht mehr den brüllenden Löwen geben. Einen Grund dafür hätten sie momentan sowieso nicht. Das Maut-Debakel und die damit absehbar horrenden Kosten für die Steuerzahler gehen voll auf die Kappe der Bajuwaren. Politische Demut ist für die Christsozialen also das Gebot der Stunde.

So ändern sich die Zeiten. Ein Jahr ist es her, da stand die Große Koalition auf der Kippe wegen des erbitterten Unionsstreits um Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze. Den Machtkampf mit CSU-Chef Seehofer entschied seinerzeit Kanzlerin Angela Merkel klar für sich, Seehofers Rücktritt vom Rücktritt war der peinliche Höhepunkt der Auseinandersetzung. Und heute? Heute ist die CSU handzahm wie selten, obwohl in der Asylpolitik fast keine der Forderungen umgesetzt werden konnte.

Über Trennung und Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag orakelt niemand mehr. Klugerweise hat die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die CSU besonders umgarnt. AKK braucht die Bayern als Verbündete auf dem steinigen Weg ins Kanzleramt. Und der neue Vorsitzende der Christsozialen, Markus Söder, hat aus den vielen Fehlern seines Vorgängers gelernt: Es macht halt keinen Sinn, sich in endlos quälenden Streitereien zu verzetteln, die keine nachweislich produktiven Ergebnisse bringen und nur die Wähler verschrecken. Das hat das Abschneiden der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen Ende 2018 gezeigt, als die Partei abgestraft worden ist.

Außerdem ist es der falsche Weg, den politischen Gegner kopieren und mit immer krasseren Forderungen noch toppen zu wollen. Wie in der Asylpolitik die AfD. Horst Seehofer hat dies nie begriffen, Söder nach einigen verbalen Fehltritten („Asyltourismus“) schon. Was zudem nicht unwichtig ist: Anders als zwischen Seehofer und Merkel scheint zwischen Söder und AKK die Chemie zu stimmen. Noch mussten beide jedoch keine echte Belastungsprobe ihrer neuen schwarz-schwarzen Freundschaft überstehen. Das könnte sich ändern, wenn beispielsweise die Flüchtlingszahlen wieder ansteigen oder die konjunkturelle Talfahrt der deutschen Wirtschaft sich verstärkt. Dann gilt es.

Söder ist zudem bemüht, seine CSU neu auszurichten – da kann AKK noch dazu lernen. Auch die CSU braucht ein moderneres Image und muss professioneller agieren, um die Themen der Zeit besser zu erkennen. Deswegen nimmt Söder die Frage des Klimaschutzes viel ernster als sein Vorgänger Seehofer, ohne sich dabei grüner als die Grünen zu geben. Die Zeiten, da es genügte, den Wählern mit Bekenntnissen und Zielvorschlägen zu kommen, sind schließlich seit der Europawahl Ende Mai endgültig vorbei. Auch in Bayern. Und das nicht nur beim Klimaschutz.

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