Schwimmanzüge: Der Irrsinn von Rom

Hightech-Schwimmanzüge lassen die Weltrekorde purzeln.

Bob Bowman, der Trainer von Superstar Michael Phelps, glaubte, er werde den Tag nicht mehr erleben, an dem der Weltrekord über 400 Meter Freistil des Australiers Ian Thorpe aus dem Jahr 2002 gebrochen wird.

Seit Sonntag und der neuen Bestmarke von Paul Biedermann ist Bowman klüger. Bei den Weltmeisterschaften in Rom zeigt sich, dass nichts für die Ewigkeit gemacht ist, sogar der Souverän Phelps muss sich an Niederlagen gewöhnen. Gegen Biedermann.

Geglaubt hat man auch, dass Frauen über 400 Meter Freistil niemals unter vier Minuten bleiben könnten. Die Italienerin Federica Pellegrini setzte sich über diese Schallmauer aber wie selbstverständlich hinweg.

Sarah Sjöström aus Schweden zerschmetterte über 100 Meter Delphin den Weltrekord von Inge de Bruijn aus dem Jahr 2000, der für die Ewigkeit gemacht schien. Unglaublich das alles. Eigentlich.

Nichts ist mehr wie es war, in Rom werden historische Weltrekorde zur Farce. Menschen, die nur dem technischen Fortschritt verpflichtet sind, opponieren nun lautstark gegen den Beschluss des von dieser Materialschlacht überforderten Weltverbandes Fina, ab 2010 die Hightech-Anzüge zu verbieten.

Nachdem die Fina für Rom noch fast alles erlaubt hat, was die Sportartikelindustrie an Neuem bereitstellt. Die neuen Anzüge verändern Wasserlage und Wasserwiderstand, sie verändern Bewegungsabläufe, sie greifen brutal in das Ursprüngliche des Schwimmens ein.

Dabei war Schwimmen nie ein Materialsport wie das Skispringen. Schwimmen ist ein Natursport und kann es sich eigentlich nicht leisten, dass der Erfolg großteils von sündhaft teurem Hightech-Material abhängig ist.

Die deutschen Schwimmer bezahlten bei Olympia 2008 einen hohen Preis, andere schwammen beim Wettrüsten von Peking in Anzügen, die in Forschungslaboratorien der Nasa entwickelt wurden. Deshalb müssen sich die Deutschen in Rom in neuem Material auch nicht für ihre Titel schämen.

Augenfällig ist bei dem ganzen Irrsinn von Rom, dass der Sport sich längst dem Diktat von Wirtschaft und Industrie gebeugt hat. Zwar bleibt richtig, dass der Fortschritt nicht aufzuhalten ist, aber die Spirale scheint in Rom dermaßen überdreht, dass ein Zurück zu den Wurzeln einen ganz neuen Charme entwickelt.

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