Schuldspruch gegen Julia Timoschenko: Tief im ukrainischen Sumpf

Der Schuldspruch gegen Julia Timoschenko ist eine Farce.

Der Schuldspruch gegen Julia Timoschenko ist eine ebensolche Farce, wie es der gesamte Prozess war und wie es die erwartete Amnestie sein wird. All das wirft ein Schlaglicht auf ein Land, das zwar vor der Haustür der EU liegt, zugleich aber Lichtjahre weit davon entfernt ist, die Mindestanforderungen eines demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaates zu erfüllen.

Das Verfahren gegen Timoschenko war von Anfang an nichts als ein politisch motivierter Schauprozess. Präsident Viktor Janukowitsch wollte sich seiner Erbfeindin entledigen. Da der Staatschef in der Ukraine de facto auch das Sagen in den Gerichtssälen hat, wählte Janukowitsch den formal sauberen Weg über eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs.

Das Absurde ist, dass der Gasdeal, den Timoschenko mit dem Kreml ausbaldowert hat, tatsächlich der Versuch war, ukrainische Oligarchen auszubooten, die zum Janukowitsch-Lager zählen. Es ging bei all dem von Anfang an nicht um Wirtschaftspolitik, um Recht oder Diplomatie, sondern um Geld, Macht und Eigeninteressen — und zwar auf allen Seiten! Unschuldig ist in diesem Trauerspiel niemand.

Wahrscheinlich wird nun per Parlamentsbeschluss alles so hingebogen, dass Janukowitsch mit einer Amnestie für Timoschenko sein Gesicht wahren kann. Das geht, weil die Abgeordneten in der Ukraine ebenfalls Erfüllungsgehilfen der Macht sind.

Präsident Janukowitsch wird nicht müde, für sein Land eine europäische Perspektive einzufordern. Das ist angesichts der Vorgänge in Kiew eine Frechheit. Die EU und auch die USA haben gut daran getan, Janukowitsch die glasklare Botschaft zu übermitteln, dass es so nicht geht. Und daran sollte die westliche Staatengemeinschaft festhalten. Außer Timoschenko sitzen schließlich noch mehr als ein Dutzend weitere Oppositionspolitiker im Gefängnis oder sind angeklagt.

Die Ukraine kann nur dann eine europäische Perspektive erhalten, wenn sich in Kiew das politische Selbstverständnis grundlegend ändert. Ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, das noch in diesem Jahr unterzeichnet werden soll, darf es nur dann geben, wenn Janukowitsch seine Jagd auf die Opposition ein für alle Mal beendet.

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