Sarrazin-Rückzug: Von Gewinnern, Verlierern und Chancen

Mit Sarrazins offiziell freiwilligem Rückzug aus dem Bundesbank-Vorstand scheint eine an Aufgeregtheit kaum zu überbietende Affäre ihr Ende zu finden. Tut sie aber nicht. Denn der Fall kann noch lange nicht zu den Akten gelegt werden.

Zu viel ist beschädigt und ungeklärt.

Fest steht nur, dass es keine Sieger, aber bei wohlwollender Betrachtung zwei Gewinner gibt. Der eine ist der Bundespräsident, der heilfroh ist, nicht mehr über den Rauswurf Sarrazins entscheiden zu müssen. Wulff kann somit einen Fehlstart im höchsten Staatsamt vermeiden, bleibt dennoch wegen seiner vorzeitigen Festlegungen leicht beschädigt zurück. Die Frage, ob nicht ein eigentlich fähiger Politiker viel zu jung zum Präsidenten gemacht wurde, bleibt.

Zweiter Gewinner ist Sarrazin selbst. Er hat zwar seinen Job verloren, darf wohl nicht mal auf Abfindung hoffen. Doch was normale Arbeitnehmer aus der Bahn würfe, wirkt für ihn positiv: Mit dem Verzicht werden schlagartig die öffentlichen Angriffe an Schärfe verlieren, denen er wahrscheinlich mental nicht mehr lange standgehalten hätte. Außerdem braucht er jetzt seine Zeit für Vortragsreisen und wird dank seiner wirtschaftlichen Situation und der Einnahmen als Autor finanziell klarkommen.

Die Liste der Verlierer ist länger: Oben steht die Bundesbank, deren einst unbestrittene Reputation vor allem international gelitten hat. Vorstandsvorsitzender Axel Weber kann jetzt möglicherweise seinen Traum vom EZB-Chefsessel vergessen. Außerdem wurde klar, wie fragwürdig und von politischen Interessen geprägt die Besetzung der Vorstandsstühle bei dieser eigentlich unabhängigen Institution ist.

Neben der SPD, die innig hofft, Sarrazin möge auch ihr aus eigenem Antrieb den Rücken kehren, zählen alle Parteien zu den Verlierern. Das fehlende Gespür der Politiker für die Stimmung der Menschen trat erschreckend offen zu Tage. Auch am rechten Rand könnten neue Parteien entstehen. Diese weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft wäre kaum ein Gewinn.

Doch in Sarrazins Rückzug liegt immerhin die Chance, dass sich die Diskussion jetzt versachlicht. Es geht nicht um eine Person, sondern um Integration. Das Thema lautet: Deutschland braucht Einwanderer, aber keine Parallelgesellschaft.

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