Russlands starker Mann pfeift im Wald

Präsident Putin steht nach den Anschlägen unter Druck

Ein Kommentar von Lothar Leuschen.

Ein Kommentar von Lothar Leuschen.

Foto: Michaelis, Judith

Putins Wortwahl nach den Terroranschlägen von Wolgograd mit zahlreichen Toten und Verletzten lässt tief blicken. „Vollständige Vernichtung“ und „Ausradierung“ kündigte er den mutmaßlich tschetschenischen Hintermännern der verbrecherischen Anschläge an. Deutlicher und direkter hätte der „Zar“ Russlands nicht sagen können, wie sehr verletzt und verunsichert er ist. Wladimir Putin ist es gewohnt, alles im Griff zu haben. Das gilt für Minister und Parlament ebenso wie für Medien und Volk. Wer es wagt, sich ihm in den Weg zu stellen, landet in einem der berüchtigten Arbeitslager. Und wenn dem Herrscher nach Amnestie ist, lässt er einige Tausend Gefangene wieder frei. So geschehen kurz vor Weihnachten unter anderem im Fall Michail Chodorkowski und Pussy-Riot.

So viel Entgegenkommen dürfen die tschetschenischen Rebellen nicht erwarten, aus deren Reihen die Selbstmordattentäter gekommen sein sollen. Ihnen wird Putin mit der ganzen hilflosen Härte begegnen, mit denen die Mächtigen vielerorts auf der Welt islamistisch gesteuerten Terrorismus bekämpfen — ohne durchschlagenden Erfolg.

Dass die USA Russland im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele im Februar in Sotschi Hilfe anbieten, ist nach den Anschlägen ein weiterer Stachel im Fleische des russischen Präsidenten. Gerade erst hat Putin die Vereinigten Staaten mit dem Asyl für den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden düpiert, da sticheln die USA im Gegenzug, dass Russland womöglich nicht in der Lage sein könnte, die Sportler aus aller Welt vor Anschlägen zu schützen. Sotschi ist schließlich nur knapp 500 Kilometer von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny entfernt, und die Terroristen sind mobil genug, auch den Wintersportort zu erreichen.

Die Anschläge von Wolgograd setzen Wladimir Putin schwer unter Druck. Er muss unter den Augen der Öffentlichkeit beweisen, dass sein Land sicher ist, dass es in der Lage ist, die Drahtzieher des Terrors dingfest zu machen, ehe die olympische Flamme in Sotschi ankommt. Putin weiß das, und er scheint Angst zu haben. Russlands starker Mann pfeift im Wald. Sein Lied heißt „Vollständige Vernichtung“ und „Ausradierung“. Es handelt von Schwäche.

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