Religiöse Symbole sind fehl am Platz

Karlsruher Kopftuch-Urteil wird neue Konflikte schaffen

Das Kopftuch-Urteil des Verfassungsgerichts erscheint schlüssig — räumt es doch mit gleichheitswidriger Benachteiligung auf. Wo es Pädagogen erlaubt ist, ihren christlichen Glauben durch eine Halskette mit Kreuz zu bekunden, da sollte auch muslimischen Lehrerinnen das Kopftuch gestattet sein. Und ist das Urteil nicht auch ein klares Bekenntnis zu der viel diskutierten Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehört?

Beides richtig — dennoch ist das Urteil kein gutes. In den bekenntnisoffenen öffentlichen Schulen ist es falsch, der Religionsfreiheit der Lehrerin Vorzug zu geben vor der negativen Religionsfreiheit der Schüler. Negative Religionsfreiheit — das ist das Recht, nicht vom Staat zwangsweise dem Einfluss einer Religion ausgesetzt zu werden.

Eine Lehrerin übt nun mal eine Vorbildfunktion aus. Mit dem Kopftuch führt sie den Schülern ihre Glaubensüberzeugung unübersehbar vor Augen. Sie steht täglich stundenlang im Mittelpunkt des Unterrichts. Aus Sicht der Schüler ohne Ausweichmöglichkeit.

Man mag argumentieren: Es ist doch gut, wenn in einer Schule diverse weltanschauliche Auffassungen aufeinandertreffen. Das gibt den Schülern Gelegenheit zur Einübung von Toleranz, seien sie nun muslimischen, christlichen oder anderen Glaubens. Was aber ist mit den Schülern, die ein religiöses Bekenntnis im Allgemeinen oder den Islam im Speziellen ablehnen? Wie sollen sie ein unbefangenes Verhältnis zu einer in dieser Hinsicht festgelegten Lehrerin aufbauen, von deren Benotung sie doch abhängig sind?

Die Idee der bisherigen Regelung, den Schulfrieden und die staatliche Neutralität zu wahren, wird durch das Karlsruher Urteil geradezu konterkariert. Die Vorgabe der Richter lautet nämlich: Ja, ein Kopftuchverbot ist möglich, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität besteht. Das heißt vor allem: neues Konfliktpotenzial. Je aggressiver sich Schüler oder Eltern gegen eine Kopftuch tragende Lehrerin einsetzen, umso eher wird der Konflikt eskalieren. Ach, ließe man die Schule doch Schule sein und verschonte die Schüler mit religiös gefärbten Debatten über letzte Wahrheiten und die dafür stehenden Symbole.

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