Meinung Regierungsbildung — etwas mehr Euphorie bitte

In ihren Programmen schreiben die Parteien es auf vielen Seiten auf: was sie alles machen würden, wenn sie nur an der Regierung wären. Doch bietet sich die Chance, will man doch lieber am Spielfeldrand bleiben und Buh rufen, wenn der Regierung etwas nicht gelingt.

Meinung: Regierungsbildung — etwas mehr Euphorie bitte
Foto: Sergej Lepke

Die SPD wählte schon am Wahlabend mit lautem Getöse den Weg in die Opposition. Und die drei kleinen Partner eines möglichen Jamaika-Bündnisses — CSU, FDP und Grüne — zieren sich. Wo ist er denn, der Gestaltungswille? Wo ist die Verantwortung, diesen vom Wähler frei gegebenen Weg nun auch zu gehen? Wie wäre es mit einem „Packen wir’s an?“

Natürlich hat jeder, der nun zögert, nachvollziehbare Argumente. Die SPD die wohl stärksten: dass die große Koalition nun mal abgewählt sei. Dass sie als größte Oppositionspartei ein Bollwerk gegen die AfD sein will. Schließlich wäre diese im Falle einer erneuten Groko der Oppositionsführer. Auch muss man der SPD ein Interesse am politischen Überleben zugestehen — nach den Jahren mit der Kanzlerin, die das Profil der Partei immer mehr verwässerten. Trotz allem ist es schon reichlich unelegant, sich so schnell aus der gemeinsam verantworteten Regierung zu stehlen.

Während die CSU völlig orientierungslos scheint und schon deshalb ein unberechenbarer Ansprechpartner selbst für Sondierungsgespräche einer Jamaika-Koalition ist, spielen bei der Zurückhaltung von FDP und Grünen vor allem zwei Faktoren eine Rolle: die in der jeweiligen DNA der Parteien enthaltene Abneigung gegeneinander, die trotz mancher Übereinstimmung, etwa bei rechtspolitischen Fragen, überwiegen. Und: Keine Seite will ihren Preis für das Ja-Wort zu tief ansetzen.

Natürlich muss jeder Partner einer Koalition den Verzicht auf im Parteiprogramm versprochene Positionen seiner Parteibasis und seiner Wählerschaft erklären. Doch der Wähler weiß, dass kein Vertragspartner alles durchbekommen kann.

Also, macht Kompromisse, aber macht! Steht ihr am Ende mit leeren Händen da und scheitert eine mögliche Regierung am Politgeschachere und kommt es dann zu Neuwahlen, dann wächst die Verdrossenheit beim Wähler noch mehr. Und außerdem: Jamaika in der Regierung und eine muntere Opposition — für eine fruchtbare Diskussion ist das allemal besser als die lähmende Zeit der großen Koalition. Also: ein bisschen mehr Euphorie bitte!

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