Meinung Proteste in Moskau - Naht die Götterdämmerung in Russland?

Meinung · Die Unzufriedenheit in Russland wächst. Parallelen drängen sich auf: 1989 begann der Untergang des SED-Regimes in der DDR auch mit Protesten gegen Manipulationen bei den Kommunalwahlen.

 Demonstranten fliehen vor der Polizei während einer nicht genehmigten Kundgebung im Zentrum von Moskau. Begleitet von einem massiven Aufgebot der Polizei haben am Samstag Hunderte Menschen gegen den Ausschluss von Oppositionellen bei der Regionalwahl in sechs Wochen demonstriert.

Demonstranten fliehen vor der Polizei während einer nicht genehmigten Kundgebung im Zentrum von Moskau. Begleitet von einem massiven Aufgebot der Polizei haben am Samstag Hunderte Menschen gegen den Ausschluss von Oppositionellen bei der Regionalwahl in sechs Wochen demonstriert.

Foto: dpa/Alexander Zemlianichenko

In Russland dominierten bei der Repression bisher von gelegentlichen Morden abgesehen „weiche“ Methoden: Die Kontrolle der Medien, Manipulationen bei Wahlen, eine willfährige Justiz. Wladimir Putin ließ einen Anschein von Demokratie. Sein wichtigstes Machtmittel war die patriotische Mobilisierung durch Konflikte nach außen, etwa gegen die Nato oder die Ukraine. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung wurde darüber komplett vernachlässigt. Diese Methode kommt nun an ihr Ende.

Die hohe Abhängigkeit vom Ölpreis, der Wirtschaftseinbruch der letzten Jahre, die Sozialkürzungen und die allgegenwärtige Korruption – die Unzufriedenheit wächst, und sie betrifft die Substanz des Lebens in Russland. Die Proteste entzünden sich derzeit an einer simplen Kommunalwahl in Moskau.

 Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Foto: nn

Dass das Regime darauf so hart reagiert, zeigt wie groß seine Nervosität ist. Gleichzeitig sind die Demonstranten erstaunlich unerschrocken; ihre Angst scheint zu schwinden.

Parallelen drängen sich auf: 1989 begann der Untergang des SED-Regimes in der DDR auch mit Protesten gegen Manipulationen bei den Kommunalwahlen. Wladimir Putin, damals KGB-Agent in Dresden, wird sich gut erinnern. Nun mehren sich auch über ihm die Zeichen der Götterdämmerung.

Er ist 66 Jahre alt, hat 20 Jahre lang amtiert und sein Land um keinen Meter nach vorne gebracht. Außerdem haben die Menschen am Beispiel der benachbarten Ukraine gesehen, dass ein demokratischer Machtwechsel möglich ist und ein Land dadurch nicht untergeht. Selbst wenn Putin jetzt irgendwo einen Konflikt vom Zaun brechen würde, es wäre sehr fraglich, ob er die Jubelstürme aus den Zeiten der Krim-Annexion noch einmal herbeizaubern könnte. Alle Diktaturen kommen irgendwann an den Punkt, an dem der Freiheitsdrang von Menschen sich Bahn bricht. In Russland scheint dieser Moment näher zu rücken.

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