Meinung Darum brauchen wir den Weltfrauentag

Meinung | Berlin · Die Gleichberechtigung liegt irgendwo zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Glas ist halb voll, aber es muss noch viel passieren. Warum der Weltfrauentag sinnvoll ist, erläutert unser Korrespondent Werner Kolhoff.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

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Zum ersten Mal seit seiner Ausrufung vor 109 Jahren ist der Internationale Frauentag in Deutschland ein richtiger gesetzlicher Feiertag. Allerdings nur im Land Berlin. Und der Grund dafür ist auch dort profan. Der Stadt fehlte im Vergleich zu anderen Ländern schlichtweg ein Feiertag. Der Frauentag gehörte anfangs nicht zu den Favoriten; er wurde am Ende um des rot-rot-grünen Friedens willen als Kompromiss gewählt. Frauenrechte als Verlegenheitslösung?

Die Gleichberechtigung liegt irgendwo zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Glas ist halb voll. Viel ist geschehen. So existieren alte Rollenklischees zwar noch, aber sie sind eben alt und werden von der Mehrheit auch als solche empfunden. Papa mit Kinderwagen, Mama im Büro, das ist keine Seltenheit mehr. Die Gleichberechtigung ist Teil der deutschen Leitkultur geworden. Formal gesehen haben die Frauen in Deutschland auch kein Machtproblem. Angela Merkel als Kanzlerin, dazu die Partei- und Fraktionsvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, Andrea Nahles, Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt, Alice Weidel, etliche Ministerpräsidentinnen und Ministerinnen - sehr viel mehr geht ganz oben in der Politik nicht.

Also doch eher ein Grund zum Feiern, als zum Kämpfen? Nein. Denn da ist immer noch die Tatsache, dass vor allem Frauen nach der Trennung alleinerziehend sind, nicht die Männer, dass Frauen die schlechteren und schlechter bezahlten Jobs bekommen und oft nur in Teilzeit arbeiten. Dass nur sehr wenige Frauen in den Vorständen der großen Unternehmen sitzen und sie auch nicht ihrem Anteil gemäß im Bundestag vertreten sind. Dass sie weniger oft in MINT-Fächern studieren und dass es immer noch den platten Sexismus gibt.

Die andere Hälfte des Glases muss noch gefüllt werden. Nach 109 Jahren Frauentags-Tradition ist vornehme Zurückhaltung dabei nicht mehr angebracht. So mag die Quote demokratietheoretisch zwar nicht schön sein, notwendig ist sie dennoch. Denn sie kann helfen, Frauen an der Männerphalanx vorbei überhaupt in bestimmte Ebenen und Felder vorzulassen, wo sie dann selbst für mehr Gleichberechtigung sorgen können. Wer nicht nur Bedenken, sondern eine bessere Idee hat, um das gleiche Ergebnis zu erzielen, soll sie nennen.

Auch gehört das Wahlrecht so verändert, dass im Bundestag jedes Geschlecht mit mindestens 40 Prozent vertreten ist. Freiwillig schaffen das etliche Parteien offenbar nämlich nicht. Und das Unternehmensrecht für die Management-Ebene muss in gleicher Weise reformiert werden. Warum? Zum einen, weil Gleichberechtigung ein Wert an sich ist, so wie Freiheit. Und zum zweiten, weil dieses Land sonst weiterhin sehr viele kluge Köpfe aus sehr vielen Bereichen ausgrenzt. Und sich damit selbst schadet.

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