Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche Nach dem Gutachten kommt der Reformations-Auftrag

Meinung · Erzbischof Woelki hat mit dem zweiten Gutachten einen Spannungsbogen aufgebaut. Am Ende gab es einen Spezialeffekt - doch es bleiben noch Fragen offen.

 Der Erzbischof Woelki hat das Gutachten perfekt inszeniert.

Der Erzbischof Woelki hat das Gutachten perfekt inszeniert.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Wäre Rainer Maria Woelki ein Regisseur, dann hätte er jetzt eine Oscar-Nominierung sicher. Dem Erzbischof von Köln ist es mit dem von ihm beauftragten zweiten Gutachten zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gelungen, einen Spannungsbogen aufzubauen, an dessen Ende es tatsächlich einen Knalleffekt gegeben hat. Und was für einen. Aber Woelki ist kein Regisseur, sondern oberster Kirchenmann im Bistum Köln. Er trägt die Verantwortung für eine große Organisation mit immer noch vielen organisierten Gläubigen. Einige davon hat der Erzbischof mit seiner weltfremden Kommunikation zuletzt zur Verzweiflung und aus der Kirche getrieben.

Das am Dienstag vorgestellte Gutachten erklärt vieles. Anscheinend hat Woelki genau diesen Paukenschlag erhofft und er nutzte ihn, um daraus einen Befreiungsschlag zu machen. Die Suspendierung unter anderem des Kölner Weihbischofs Dominikus Schwaderlapp ist ein beispielloser Akt, dem in den nächsten Wochen und Monaten aller Voraussicht nach weitere folgen werden.

Offenbar erkennt Woelki, dass für die katholische Kirche das Endspiel begonnen hat. Deshalb stellt sich bei aller kommunikativen Schwäche jetzt als richtig heraus, das Münchener Gutachten nicht veröffentlicht zu haben. Es ist schon im Umfang deutlich schwächer und hat den Erzbischof inhaltlich nicht überzeugt. Es hätte womöglich nur zu weiteren Vertuschungsversuchen geführt. Woelki wollte es tatsächlich besser wissen. Jetzt weiß er es, und was er weiß, ist an Sprengkraft kaum mehr zu überbieten. Der Druck ist nun so groß, dass aus dem vermeintlichen Zauderer Woelki ein konsequenter Akteur geworden ist.

Aber auch dieses neue, fast 900 Seiten starke Gutachten beantwortet nicht alle Fragen. Im Bistum Köln und überall in der katholischen Kirche wird weiter Aufklärungsarbeit zu leisten sein. Ebenso wichtig ist die Entwicklung neuer Strukturen. Die Kirche braucht Regelwerke, die Vertuschen und Verschleiern nicht länger begünstigen. Und über allem muss sie sich mit ihrem Bild vom Priestertum beschäftigen.

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