Mutmaßlicher Sexualtäter freigelassen: Die unerträglichen Fehler der Justiz

Weil die Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach zu langsam gearbeitet haben soll, setzte das Oberlandesgericht Düsseldorf einen mutmaßlichen Sexualstraftäter auf freien Fuß.

Jetzt kocht Volkes Seele wieder, und das aus nachvollziehbaren Gründen: Ein 58-jähriger mutmaßlicher Kinderschänder wird mit richterlichem Segen aus der Untersuchungshaft entlassen und trotz erwiesener Fluchtgefahr auf freien Fuß gesetzt - jedenfalls bis zum Ende des im August gegen ihn beginnenden Strafverfahrens. Weil die Staatsanwaltschaft zu langsam gearbeitet hat, wie das Düsseldorfer Oberlandesgericht feststellte.

Und leider ist dies kein Einzelfall: Immer wieder müssen die Oberlandesgerichte bei den gesetzlich vorgeschriebenen und routinemäßig durchgeführten Haftprüfungen mutmaßliche Straftäter wieder in Freiheit setzen, weil die Strafermittler entweder zu langsam gearbeitet oder gar geschlampt haben. Allein in NRW ist es in diesem Jahr bereits drei Mal dazu gekommen, im vergangenen Jahr geschah dies zehnmal, und 2006 waren es 16 Fälle, darunter sogar mutmaßliche Mörder.

Es mag auf den ersten Blick widersinnig erscheinen, dass Gerichte solche Freilassungen überhaupt veranlassen. Doch unsere Verfassung zwingt sie dazu: Untersuchungshaft ist zeitlich begrenzt. Sie kann und darf nicht nach Belieben ausgedehnt werden, ganz gleich, was dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Dies dient auch dem Schutz derjenigen, deren Unschuld sich im an die U-Haft anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt.

Deshalb sind alle solcher Fälle gleich in mehrfacher Hinsicht unerträglich: Sie widersprechen nicht nur dem allgemeinen Rechtsempfinden, sondern sie belasten und gefährden auch die Opfer der Taten über Gebühr - und sie bergen vor allem die große Gefahr, dass das Vertrauen der Bürger in die Arbeit der Justiz nachhaltig erschüttert wird.

Es mag daher dahingestellt bleiben, ob im Fall des jetzt vorzeitig aus der U-Haft entlassenen mutmaßlichen Sexualtäters ein konkretes Versagen der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vorliegt, oder ob nicht auch möglicherweise das Oberlandesgericht Düsseldorf etwas vorschnell geurteilt hat. In jedem Fall trägt letztlich NRW-Justizministerin Müller-Piepenkötter die politische Verantwortung: Sie muss sicherstellen, dass die Justiz des Landes personell und organisatorisch so ausgestattet ist, dass solche Vorkommnisse nicht geschehen.

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