Meinung Merkels Grätsche

Vorgeprescht — und vorerst wieder eingefangen. Dass Innenminister Horst Seehofer die Vorstellung seines Masterplans zur Umgestaltung der deutschen Asylpolitik vertagen musste, ist eine deftige Watsche für den Bayern.

Kühl hat Angela Merkel ihm zuletzt via Fernseh-Interview klar gemacht, dass sie den Vorschlag, Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen, nicht akzeptieren will. Sie würde im Grundsatz alles noch einmal so machen, wie sie es getan hatte. Die Kanzlerin hofft nach wie vor auf eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage. Und die wird es nicht geben, wenn Berlin einseitig Fakten schafft.

Störfeuer aus dem CSU-geführten Innenministerium sind für Merkel in dieser Phase alles andere als hilfreich. Denn das Thema Migration lässt sich eben nur im Verbund lösen und nicht dadurch, dass man den bestehenden Riss, der sich in der Flüchtlingsfrage zweifellos durch die Europäische Union zieht, weiter vertieft. Gleichwohl weiß man nun noch nicht, wie Merkel zum Beispiel die bockigen osteuropäischen Staaten doch dazu bewegen will, sich an einer gerechteren Verteilung zu beteiligen. Die Migration wird beim nächsten Gipfel in Brüssel zentral behandelt werden. Alle bisherigen Verabredungen waren kaum das Papier wert, auf dem sie gestanden haben. Hier muss die Kanzlerin schleunigst liefern — ansonsten könnte sich die Grätsche gegen Seehofer noch als Fehler erweisen.

Der Minister weiß nun jedenfalls, dass es einen Unterschied gibt, ob man als bayerischer Ministerpräsident von München aus gegen die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik keilt, oder ob man als Minister mit am Kabinettstisch in Berlin sitzt und dort in die Disziplin eingebunden ist. Merkel hat Seehofer klar gemacht, dass sie nicht bereit ist, seine Alleingänge zu akzeptieren. 2015 stellte Seehofer Merkel auf dem CSU-Parteitag öffentlich bloß. Das hat sie nicht vergessen. Jetzt lässt sie ihn halt auf der Berliner Bühne warten.

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