Meinung Mehrweg: Die Region ist entscheidend

Meinung | Düsseldorf · Es gibt Statistiken. Und es gibt Erfahrungen. Zu letzteren zählen die quälenden Momente, wenn man samstags den Leergutautomaten leider erst nach dem Menschen mit der igluzeltgroßen Plastiktasche im Einkaufswagen erreicht, aus der die Einwegflaschen schon oben herauspurzeln.

 Ekkehard Rüger

Ekkehard Rüger

Foto: ja/Sergej Lepke

Dann ist zeitliche wie akustische Geduld gefragt, wenn der Vordermann jede Flasche einzeln auf das Rücknahmeband legt, was Sekunden nach dem Scannen noch ein äußerst unangenehmes Quetschgeräusch zur Folge hat.

Erfahrungen dieser Art waren der Statistik schon lange voraus, die jetzt zum wiederholten Mal besagt: Der Anteil an Mehrwegflaschen sinkt weiter. Dabei sollte er doch auf 70 Prozent steigen. Wobei wir bei einer zweiten Erfahrung wären: Die gebetsmühlengleichen Appelle des Umweltbundesamts, der Umwelthilfe, der Umweltverbände und der Verbraucherzentralen, dass Mehrwegflaschen ökologisch vorteilhafter seien, sind seit Jahren auf dem Markt – und werden genauso lange von der Mehrheit der Verbraucher ignoriert.

Auch die neue Lust am Verbot greift beim Flaschenthema nur bedingt. Inzwischen hat die EU zwar vorgegeben, bis 2025 müssten die Einweg-Plastikflaschen zu 25 Prozent aus recyceltem Plastik bestehen. Den Anteil erreichen viele der beliebten, weil leichten PET-Einwegflaschen allerdings heute schon. Manche Firmen liegen bereits bei 60 Prozent, die französische Marke Evian will 2025  gar 100 Prozent wiederverwertetes PET einsetzen.

So schwarz und weiß, wie die meisten Mehrweg-Anhänger glauben machen wollen, ist die Flaschenfrage ohnehin nicht zu beantworten. Ähnlich wie bei der aus Ägypten importieren Biokartoffel verschlechtert sich die Ökobilanz der Mehrwegflasche mit der Länge der Transportwege. Die Neigung zu individuell gestalteten Kästen und Flaschenformen gerade beim Mineralwasser verhindert den Austausch unter den Abfüllern und führt zu teils grotesken Rücktransporten.

Die Regionalität und weniger der Streit um Glas oder Plastik könnte daher bei den Getränken die Stellschraube der Zukunft werden. Wie bei anderen Lebensmitteln auch sind das Bier, das Wasser oder der Saft aus der Nähe nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern bieten zudem Identifikationsmöglichkeiten. Man kann quasi aus der (Mehrweg-)Flasche einen Schluck Heimat nehmen.

Oder gleich aus dem Wasserhahn trinken. Denn die regionale Trinkwasserqualität in Deutschland ist hervorragend, jede Verpackung überflüssig und ein Transport nicht nötig. Aber diesen Hinweis gibt es auch schon seit Jahren. Und die Erfahrung zeigt: Die Schlangen vor den Leergutautomaten werden nicht kürzer.

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