Liberale haben aus ihren Fehlern gelernt

Die FDP will das Image der sozialen Kälte ablegen

Düsseldorf. Anfang des Jahres, da hatte sich die FDP eigentlich schon zu einer Fußnote der Geschichte abgewirtschaftet. Im Rücken von Parteichef Philipp Rösler bereiteten vermeintliche Parteifreunde eine Revolution vor, in Umfragen drohten die Liberalen in der Rubrik „Sonstige“ zu verschwinden — ganz auf Augenhöhe mit der Tierschutzpartei, den Violetten und den Bibeltreuen Christen.

Dass Rösler Ende Januar in seiner Heimat Niedersachsen 9,9 Prozent holte, mochten viele vielleicht noch als letztes Aufbäumen einer sterbenden Partei verstanden wissen. Doch spätestens seit dem Nürnberger Parteitag ist klar: In der FDP steckt doch mehr als Selbstvernichtungspotenzial.

Vier Monate vor der Bundestagswahl und damit quasi auf der Zielgeraden, haben sich Rösler & Co. von den Steuersenkungsparolen ihres einstigen Frontmannes Guido Westerwelle losgesagt. Seine Programmatik hatte das Verfallsdatum weit überschritten. Die Wähler wussten das längst. Nur die FDP brauchte etwas mehr Zeit, um zu erkennen, dass ein moderner Liberalismus mehr umfassen muss als sinnlose Steuergeschenke und Deregulierung.

Sicher, das neue Wahlprogramm lässt zukunftsfähige Konzepte für eine Gesellschaft im Wandel vermissen. Aber die FDP hat aus ihren Fehlern gelernt — die Konsolidierung der Staatshaushalte geht jetzt vor Steuersenkungen. Und die heftige Debatte um den Mindestlohn zeigt nicht nur, dass die Partei bei einem heiklen Thema zumindest zu einer kleinen Kurskorrektur bereit ist.

Sie zeigt auch, dass die FDP nach Jahren der Lähmung zu einer leidenschaftlichen und gesunden Debattenkultur fähig ist, die nun mal jeder demokratischen Partei in Deutschland gut zu Gesicht steht. Nein, linker ist die FDP durch die Ausweitung von Lohnuntergrenzen in bestimmten Regionen und Branchen sicher nicht geworden. Sie bemüht sich aber redlich, das Image der sozialen Kälte abzulegen. Das macht sie womöglich für Grünen-Wähler interessant, die mit dem Steuererhöhungsprogramm ihrer Partei hadern.

Dennoch: Wenn die FDP erneut Regierungsverantwortung übernehmen will, muss sie nachlegen — in Fragen der Energiewende, der Familienförderung oder auch der Wahrung von Bürgerrechten im digitalen Zeitalter. Herr Rösler, bitte liefern!

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