Lance Armstrongs Geständnis: Kühl kalkuliertes Gefühlskino

Armstrongs Geständnis kommt nicht freiwillig — und zu spät

Die US-Talkmasterin Oprah Winfrey hat Lance Armstrong 120 Fragen gestellt. Nervös sei er gewesen, heißt es. Manche Antworten haben „fasziniert“, sagt Winfrey, die das Interview eigenproduziert geführt, aber noch nicht ausgestrahlt hat. Und nun mit allerhand appetitanregender Gefühlsduselei versucht, die Einschaltquote hochzutreiben.

Dabei wird das, was Armstrong zu sagen hat(te), keinen mehr überraschen können. Viel zu erdrückend sind die Beweise, die von der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada in später, aber imponierender Arbeit zusammengetragen worden sind. Im Internet sind diese Unterlagen für jeden Interessierten seit Monaten frei einsehbar.

Zu übereinstimmend auch die Aussagen vieler Weggefährten wie Tyler Hamilton, Frankie Andreu oder Floyd Landis, die sein System in erschreckenden Details preisgegeben haben — und hernach heftig von Armstrong bedroht wurden.

So ist der scheinbar Reumütige keiner, der auf Nachsicht hoffen darf. Armstrong ist nicht einer der Mitläufer, die auf Druck hin und aus Angst um ihre Karriere in den Dopingsumpf gerieten. Er ist einer der Anführer, der jenen Druck aufgebaut und rücksichtslos jeden aus dem Weg geräumt hat, der den unsauberen Weg zum trügerischen Ruhm nicht mitgehen wollte.

Ein Taktiker auf dem Rad. Ein Taktiker auch bei diesem Auftritt, den der einstige Held mit den besten Anwälten seines Landes bis ins Detail geplant hat — weil er als potenzieller Kronzeuge einer möglichen Gefängnisstrafe wegen Meineids entgehen kann. Erst die Erkenntnis, die auf ihn zukommenden Schadensersatzklagen — im Gespräch sind Summen um 60 Millionen Euro — ohnehin kaum abwenden zu können, lässt Armstrong kühl kalkuliert das Gefühlskino anwerfen.

Armstrong ist ein Gejagter, der einst Jäger war. In beiden Rollen ist sein Handeln überlegt, und es wird einzig von Mehrwert sein, inwiefern er Ärzte, Teamchefs, und Radsport-Funktionäre beschuldigt, die noch heute Verantwortung in diesem über die Maßen geplagten Sport tragen.

Was zunächst bleibt, ist die Faszination des Voyeurs, der dem gefallenen Helden in die Augen schauen will, wenn jener von seinem Niedergang berichtet. Erst, wenn es darüber hinausgeht, hat die Winfrey-Show einen Sinn.

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