Krawalle in Kiew: Europa darf nicht kopflos reagieren

Straßenschlachten in Kiew stellen den Westen auf die Probe

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Foto: k r o h n f o t o . d e

In Deutschland ist die orangene Revolution unvergessen, Vitali Klitschko genießt größte Sympathie. Umso mehr erzeugen die Bilder aus Kiew Wut und Empörung. Die aber dürfen jetzt nicht die Leitschnur des Handelns sein.

Präsident Janukowitsch ist ohne Zweifel ein Autokrat, der auf dem Weg zum Diktator ist. Das zeigten schon die undemokratischen Demonstrationsverbote, die seine Mehrheit durchgepeitscht hat. Das zeigte die selektive Justiz, mit der geradezu nach Belieben politische Konkurrenten wie Julia Timoschenko verfolgt wurden.

Und dennoch müssen Deutschland und Europa alles vermeiden, was den Präsidenten jetzt in eine Ecke treibt, aus der er nur noch einen Ausweg sieht: Gewalt. In Syrien ist Assad der Ausweg eines „ehrenhaften“ Abganges abgeschnitten worden. Auch vom Westen. Das Ergebnis ist bekannt.

Noch hat Janukowitsch „nur“ die Polizei und den Geheimdienst losgelassen, nicht die Armee. Gäbe er dazu den Befehl, würde alles in Strömen von Blut erstickt. Dann folgte wohl die Spaltung des Landes, und vielleicht ein großer Bürgerkrieg. Und in Europa gäbe es eine dramatische Abkühlung des Verhältnisses zu Russland.

Ein neuer kalter Krieg. Mit jedem Toten, den Janukowitschs Sicherheitskräfte in diesen Tagen zu verantworten haben, wächst bereits die Gefahr, dass eine solche Entwicklung eintritt. Deshalb muss das dringlichste Ziel ein Stopp der aktuellen Gewalt sein.

Was kann Europa tun? Es muss jetzt ruhig bleiben. Und gleichzeitig entschlossen. Der Beschluss, das persönliche Vermögen des Janukowitsch-Clans und der Oligarchen einzufrieren und ihnen die geliebten Reisen in die Shopping-Paradiese des Westens zu versperren, ist richtig.

Aber es kann dabei nicht um Bestrafung gehen, sondern nur um ein Druckmittel, damit die Herrschenden ernsthafte Verhandlungen mit der Opposition aufnehmen. Solche Verhandlungen muss die EU zudem mit allen Mitteln unterstützen. Am Ende aber wird nicht die Westorientierung des Landes liegen.

Und auch nicht eine Demokratie. Sondern, wenn überhaupt, ein Kompromiss. Denn die Ukraine ist in sich tief gespalten. Bei einer Zuspitzung wird es keine wirklichen Sieger geben. Nur viele Geschlagene.

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