Meinung Zehntausende gegen Bayer – das muss beeindrucken

Meinung · Die Übernahme von Monsanto und das damit eingekaufte Risiko, von Glyphosat-Geschädigten in die Haftung genommen zu werden, bleibt für Bayer eine große Belastung. Was es bedeutet, dass die Zahl der Klagen dramatisch wächst.

Die Zahl ist eindrucksvoll: Jetzt sind es schon fast 43.000 Klagen angeblich Glyphosat-Geschädigter, mit denen sich Bayer konfrontiert sieht. Und doch sagt die Zahl nichts aus über die Dimension des Risikos, das sich die Leverkusener mit der Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto gleich mit eingekauft haben. Denn ob die Klagen berechtigt sind, hängt natürlich nicht mit ihrer Anzahl zusammen.

Dass die Zahl der Kläger sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt hat, hat mit zwei Dingen zu tun. Zum einen damit, dass in den USA Mediationsgespräche mit Bayer laufen, an deren Ende ein Vergleich und damit eine gedeckelte Entschädigungszahlung der Leverkusener an die Kläger stehen kann. Von 20 Milliarden Dollar ist gar die Rede. Dass ein solcher Vergleich möglich erscheint, ermuntert umso mehr die Menschen, auf den Zug aufzuspringen und darauf zu setzen, dass am Ende jeder Einzelfall nicht so genau überprüft wird und auch ganz und gar Unberechtigte Geld mit nach Hause nehmen. Und, da sind wir beim zweiten Grund für die wachsende Klägerzahl: Die Anwälte bringen das Geschäft erst so richtig auf Touren.

Ein amerikanischer Anwalt, der große Unternehmen in den USA vertritt und daher immer wieder mit dem Phänomen der klagefreudigen Kollegen zu tun hat, schilderte kürzlich bei einem Presse-Hintergrundgespräch, was die Klageindustrie in seinem Land ausmacht. Nicht nur TV-Werbung, auch große Plakate an Autobahnen weisen den Menschen den vermeintlich einfachen Weg zum Glück – nach dem Motto: Es kostet dich nichts, aber so kannst du reich werden. Der Mandant geht keinerlei Risiko ein, weil er keine Anwaltsgebühren zahlt. Er muss nur unterschreiben, dass er im Erfolgsfall 30, manchmal gar 50 Prozent seines per Urteil zugesprochenen Geldes an seinen Rechtsvertreter abtritt. Der US-Anwalt erzählte von einem Kollegen, der mit der Methode, Kläger um sich zu scharen und große Unternehmen zu verklagen, so viel Geld gemacht hatte, dass er sich einen Football-Club samt Stadion kaufen konnte.

All das heißt natürlich nicht, dass die verklagten Unternehmen angesichts dieses über sie herfallenden Kläger-Schwarms zu bedauern sind. Oft gibt es ja sehr ernstzunehmende Gründe für die Klagen. Gerade in den Glyphosat-Fällen lassen sich diese leicht nachvollziehen. Doch wer da im Recht ist, darüber sagt allein die Zahl der Kläger nun gar nichts aus. Und doch dürfte auch die schiere Wucht der großen Zahl Bayer nicht unbeeindruckt und entsprechend die Kompromissbereitschaft der Leverkusener wachsen lassen: die Bereitschaft, dem selbst eingebrockten Schrecken per Vergleich ein Ende zu machen.

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