Meinung Jetzt also doch Brexit? Ja – Nein – Vielleicht!

Meinung · Boris Johnson hat es tatsächlich geschafft. Dem britischen Premier ist es gelungen, mit der EU ein neues Brexit-Abkommen auszuhandeln. Also alles klar mit dem geordneten Brexit zum 31. Oktober? Nein!

  Ein Union Jack, die Flagge Großbritanniens weht vor dem Gebäuder der Europäischen Kommission.

Ein Union Jack, die Flagge Großbritanniens weht vor dem Gebäuder der Europäischen Kommission.

Foto: dpa/Laurent Dubrule

Boris Johnson wird das Ergebnis als Sieg verkaufen. Denn der umstrittene Backstop, der eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindern sollte, ist vom Tisch. Das gesamte Großbritannien (also auch das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland) verlässt demnach die Zollunion. Das versetzt London in die Lage, eigene Handelsabkommen mit anderen Ländern abzuschließen. Genau das haben die Europagegner immer gefordert. Johnson kann für sich in Anspruch nehmen, Forderungen durchgesetzt zu haben, an denen seine Vorgängerin Theresa May gescheitert ist.

Also alles klar mit dem geordneten Brexit zum 31. Oktober? Nein! Denn zur Wahrheit des jüngsten Deals gehört auch, dass Nordirland weiter den Regeln des EU-Binnenmarktes unterliegt und damit faktisch Teil der Zollunion bleibt. Die Kontrolle des Warenverkehrs findet nicht an der Grenze auf der irischen Insel statt, sondern auf dem Seeweg zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien. Genau dieser Sonderstatus Nordirlands könnte Johnsons Sieg aber noch in eine Niederlage verwandeln, denn der Widerstand gegen eine solche Regelung ist groß.

 Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

  Am Samstag kommt es zum Showdown, wenn das britische Parlament über das Abkommen von Brüssel abstimmt. Vor allem die erzkonservative nordirisch-protestantische Democratic Unionist Party (DUP), auf deren Stimmen Johnson dringend angewiesen ist, will den Deal ablehnen. Aber auch in seiner eigenen Partei, den Tories, gibt es nicht wenige, die den Sonderstatus Nordirlands verhindern möchten. Scheitert Johnson, müsste er laut britischem Gesetz in Brüssel erneut einen Aufschub des Austrittstermins beantragen – was der Premier immer abgelehnt hat. Möglich ist auch, dass das Parlament dem Deal mit den Stimmen der Opposition zustimmt – allerdings mit der Auflage, dass die Wähler in einem zweiten Referendum befragt werden müssen.

Wie auch immer die Sache ausgeht: Für Europa wäre es gut, wenn das Thema Brexit zu einem Ende käme. Denn die EU braucht Zeit und Kraft, um sich auch um andere Probleme zu kümmern, deren Bedeutung jene der Briten bei Weitem überragt. Zum Beispiel eine gemeinsame Strategie gegen den Klimawandel zu entwickeln. Oder die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen zu bekämpfen. Oder sich aus der militärischen Abhängigkeit von den USA zu lösen. Funktionieren kann das nur, wenn die EU sich bei zentralen Entscheidungen vom Prinzip der Einstimmigkeit verabschiedet. Die Mehrheit muss bei Abstimmungen reichen.

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