Meinung : Abschied von der „schwarzen Null“: Deutschland kann sich die Rettung auf Pump leisten
Meinung Berlin Gleich reihenweise gehen derzeit alte Gewissheiten in die Binsen. Reisefreiheit, Versammlungsrecht – und jetzt auch die Schuldenbremse im Grundgesetz. Und das aus gutem Grund.
Wenn der Bundestag an diesem Mittwoch grünes Licht für dreistellige Milliardenhilfen zugunsten von Unternehmen, Kurzarbeitern, Selbständigen und Familien gibt, dann werden alle Kreditobergrenzen förmlich pulverisiert. Das Land lebt damit ab sofort wieder stark auf Pump. Ein historischer Einschnitt. Doch es gibt keine vernünftige Alternative.
Schon bei früheren Gelegenheiten hieß es, man dürfe der Krise nicht hinterher sparen. In Zeiten von Corona gilt das erst recht. Die aktuelle Notlage erfasst nicht nur Banken oder bestimmte Branchen, sie droht ganze Volkswirtschaften in den Abgrund zu reißen. Eine Rezession ist sicher nicht mehr aufzuhalten. Aber: Je länger der Einbruch dauert, desto schwieriger wird es, aus der Krise wieder heraus zu kommen. Deshalb die gepumpten Milliarden. Sie sollen helfen, wirtschaftliche Strukturen zu erhalten, die Substanz zu sichern. Konjunkturprogramme braucht es womöglich auch noch. Aber erst später.
Manche spotten nun über den „Schuldenkönig“ Olaf Scholz. Aber diese Häme wird weder dem Kassenwart noch der Lage gerecht. Zum Leidwesen der eigenen Genossen hat Scholz die „schwarze Null“ immer ernst genommen und die Schuldenbremse damit sogar übererfüllt. Zumindest eine begrenzte Neuverschuldung wäre nach ihren Regularien nämlich auch schon in normalen Zeiten möglich gewesen. Dass Scholz nicht davon Gebrauch machte, gerade für zusätzliche Investitionen, wurde ihm oft angekreidet. Nun erweist sich sein Kurs der Sparsamkeit und des Schuldenabbaus als großer Vorteil. Für die Krise ist Deutschland solide aufgestellt, es gibt noch viel Luft nach oben. Andere Staaten schien der eigene Schuldenberg schon vor Corona zu erdrücken, sie stehen jetzt vor dem Nichts.