Meinung Beim Coronavirus braucht es jetzt eine klare Linie

Meinung · Im Kreis Heinsberg bleiben Schulen und Kitas zu, zehn Kilometer weiter soll in Mönchengladbach an diesem Wochenende ein Spitzen-Fußballspiel vor Fanmassen stattfinden. Das passt nicht zusammen.

 Einen Handlauf im Stadion von Borussia Mönchengladbach desinfiziert eine Reinigungskraft. Wegen des Coronavirus ergreift der Verein besondere Maßnahmen für die Fußballfans, damit diese sich sicher fühlen.

Einen Handlauf im Stadion von Borussia Mönchengladbach desinfiziert eine Reinigungskraft. Wegen des Coronavirus ergreift der Verein besondere Maßnahmen für die Fußballfans, damit diese sich sicher fühlen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Es ist klein und unsichtbar, dennoch hat es schon Tausende Menschen getötet – andere wiederum macht es nicht einmal krank. Das neuartige Coronavirus verwirrt und ängstigt, das ist mit Händen zu greifen. Und es braucht jetzt von Experten und Politik eines, um dieser Angst und dem Schindluder, das mit ihr bereits getrieben wird, entgegenzutreten: eine klare Linie. Leider ist die so überhaupt nicht erkennbar.

Dass alle Borussia-Park-Dauerkartenbesitzer aus dem Kreis Heinsberg herzlich eingeladen sind, sich an diesem Wochenende jubelnd oder verzweifelnd in den Armen zu liegen, während ihre Kinder zu Hause aus Sicherheitsgründen die Schule nicht besuchen dürfen, ist dem gesunden Menschenverstand kaum vermittelbar. Ebenso wenig, dass der professionelle Kontakt auf einer Rohrfachmesse zwar Ansteckungsgefahr über Gebühr mit sich bringen soll, der unausweichliche Körperkontakt im Fanzug quer durchs Rheinland aber offensichtlich nicht.

Diese offenkundigen Widersprüche verunsichern ohnehin bereits verunsicherte Menschen weiter und bilden den fruchtbarsten Nährboden für diejenigen, die mit Freude in den sozialen Netzwerken die Kunde säen: Der Staat hat die Lage nicht im Griff. Entweder bauscht er auf und verbreitet bewusst Panik – denn wenn sportliche Großveranstaltungen noch drin sind, kann es so schlimm ja nicht sein – oder er wiegelt ab und kapituliert vor den Fußballklubs und angehängten Wirtschaftsinteressen.

 Juliane Kinast.

Juliane Kinast.

Foto: Judith Michaelis

Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) spricht von einer Fall-zu-Fall-Entscheidung. Dann muss er aber auch die Kriterien erklären – und inwiefern ein Spitzenspiel mit zigtausend Besuchern in direkter Nachbarschaft der zuvorderst Coronavirus-betroffenen Region nicht unter diese fällt.

Eigentlich aber erwartet man jetzt keine Einzelfallabwägungen mehr, sondern eben die klare Linie. Will man die Covid-19-Epidemie in NRW und in ganz Deutschland noch mit allen realistischen Mitteln eindämmen? Dann müssen alle Menschenansammlungen, die nicht zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens unabwendbar sind (wie in Schulen und in Pendlerzügen), verhindert werden – egal ob auf der Messe oder beim Sportereignis. Andere Länder machen vor, wie viel mehr Strenge hier möglich wäre. Oder sieht man sich jetzt an dem Punkt, wo das neue Virus erkennbar grassiert und nicht mehr zurückgedrängt werden kann, ohne unser Leben lahmzulegen? Dann müssten konsequent alle Maßnahmen heruntergefahren werden. Ein Mäandern zwischen beiden Optionen allerdings ist Gift für den öffentlichen Diskurs und das Vertrauen in der Bevölkerung.

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