Meinung Klatsche für Föderalismus

Kretschmers Bericht enthält eine klare Klatsche für den Föderalismus in Sachen Terrorabwehr.

Ein Kommentar von Juliane Kinast.

Ein Kommentar von Juliane Kinast.

Zwei Dinge fallen unweigerlich ins Auge, wenn man den Bericht des Sonderermittlers zum Fall Anis Amri und zu möglichen Versäumnissen der NRW-Behörden liest. Das Erste ist, dass er zu dieser Versäumnis-Frage so gar keine Überraschung bietet. Die Bewertungen des Professors decken sich fast vollkommen mit dem, was man Innenminister Ralf Jäger in diversen Sondersitzungen des Innenausschusses gebetsmühlenartig hat wiederholen hören. Das mag in Ordnung gehen, so lange Bernhard Kretschmer analysiert, die einzige Chance für einen Untersuchungshaftbefehl habe es in Baden-Württemberg nach Amris versuchter Ausreise gegeben und für die schwache Gefährdereinstufung Amris im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) seien andere als NRW verantwortlich gewesen. Aufstoßen muss es aber, wenn er in seinem Bericht festhält, Meldeauflagen hätten Amri nicht beeindrucken und er doch einen Weihnachtsmarkt im Ruhrgebiet heimsuchen können. Bloße Interpretation — und doch sehr im Sinne der Landesregierung.

Die zweite große Auffälligkeit ist, dass Kretschmers Bericht eine klare Klatsche für den Föderalismus in Sachen Terrorabwehr enthält. Die Zusammenarbeit der Behörden im GTAZ nannte der Strafrechtler am Montag in Düsseldorf „schon eine große Errungenschaft“, aber auch „ausbaufähig“. In seinem Bericht schreibt er über die „stete Absprache“, die Amris Ortswechsel erforderten. Er betonte bei der Pressekonferenz, Amris Gefährlichkeit sei in Berlin „nicht so hochgehängt“ worden. Auf Nachfrage sagte er vorsichtig, es sei „eine offene Frage“, ob Zentralismus im Fall Amri für ein effizienteres, stringenteres Vorgehen hätte sorgen können. Aber das Stückwerk aus einzelnen Staatsanwaltschaften, die Amris Straftaten verfolgten, aus Bundesländern, in denen er mal gemeldet war und mal tatsächlich lebte, sowie dem Bund, der Papiere für ihn besorgen musste, legt keinen anderen Schluss nahe. Denn das Ergebnis kennen wir.

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