Meinung Zweifelhaftes Mittel

DÜSSELDORF · Wer will angesichts der Abscheulichkeit des jüngsten Falles von sexuellem Missbrauch selbst kleinster Kinder den Ermittlern mehr Werkzeuge verweigern? Kinderschutz muss Vorrang vor Datenschutz haben. So die deutlich vernehmbaren Rufe.

 Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert mehr Spielraum für die Ermittler.

Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert mehr Spielraum für die Ermittler.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Eben dies sieht ja auch ein Plan der EU vor.  Anbieter verschlüsselter Messagingdienste wie WhatsApp, iMessage, Signal und Threema sollen verpflichtet werden, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen. Gut so, ist der erste Gedanke.

Doch schnell drängt sich der zweite auf: Ist das Instrumentarium einmal eingeführt, so kann sich niemand mehr auf die Vertraulichkeit seiner Kommunikation verlassen. Es ist so, als dürfte die Post jeden Brief öffnen, jedes Paket inspizieren. Ist ein solches System erst einmal installiert, lässt es sich auf andere Bereiche ausdehnen. Auf die Überwachung politischer Ansichten oder weltanschaulicher Haltungen. Dies gilt es zu bedenken, wenn drastische Fälle wie der aktuelle dafür herhalten sollen, elementare Grundrechtspositionen zu gefährden. Zumal die Täter ohnehin aufs Darknet ausweichen.

 

Hinzu kommt: Es wird nach neuen Eingriffsbefugnissen gerufen, wo doch die Polizei oftmals nicht mal in der Lage ist, die ihr auf dem Tablett präsentierten Straftaten zu Hass im Internet angemessen zu verfolgen. Der Satiriker Jan Böhmermann hat das gerade erst spektakulär aufgedeckt. Den Ermittlern, die sich den Missbrauchsopfern im Internet auf die Fersen heften und dabei in dunkelste Abgründe blicken, ist höchster Respekt zu zollen. Aber angesichts der Tatsache, dass sich die meisten Missbrauchsfälle in unserem Nahfeld abspielen, ist es auch unser aller Aufgabe, die Augen offen zu halten. Und Verdachtsmomente, weil wir sie einfach nicht wahrhaben wollen, nicht zu verdrängen. Sondern Hilfe zu rufen. Die Polizeidienststelle um die Ecke scheint da leider nicht immer kompetent zu sein. Aber es gibt qualifizierte Hilfe wie etwa das Hilfetelefon sexueller Missbrauch (www.anrufen-hilft-de).

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