Inszenierungen siegen über Inhalte

Es geht um Stehpulte, Redezeiten und Jackettfarben. Es geht um Eloquenz und Nerven, um Schlagfertigkeit und Glück. Nur Inhalte, die werden im Studio B kaum Chancen haben, denn sie entziehen sich dem Diktat der schnellen Schnitte.

Wenn Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier am Sonntag beim Bundes-Fernseh-Showdown aufeinandertreffen, darf der Souverän in seinem Fernsehsessel zwar keinen Kampf der Gladiatoren erwarten, aber doch ein durchinszeniertes Polit-Theater: PR-Strategen betätigen sich hinter den Kulissen als Dramaturgen, Inhalte reduzieren sich auf Personen, auf das Entweder-Oder, auf die leicht fassbare These. Die Ideale der Aufklärung, werden sie auf dem Altar der Showpolitik geopfert?

Keine Partei, die heute Gewicht haben will, entzieht sich noch dem Zwang zur telegenen Inszenierung. Alle Voraussetzungen dafür bietet die Medienlandschaft selbst. Die Dominanz privater Kanäle, die Verflachung öffentlich-rechtlicher Sender und der Druck der Quote haben das Polit-Entertainment längst zum Maß aller Dinge erhoben.

Zugleich trägt eine veränderte Mentalität der Menschen dazu bei, dass der Wettbewerb zur Show wird. Während die Zahl der Stammwähler abnimmt, steigt die der Unentschlossenen. 75 Prozent der Deutschen wollen vor jedem Urnengang neu überzeugt werden, und dies gelingt am leichtesten durch die Stimulierung des Bauchgefühls. Schwierige Zusammenhänge oder schmerzhafte Wahrheiten gelten bei den TV-Inszenierungen als Tabu, schließlich bleibt das Wahlvolk mit Fernbedienungen gut gerüstet.

Allerdings: Deutschland ist anders als Amerika keine Präsidialdemokratie, die eine Kampagne vollends auf einen Helden ausrichten kann. Außerdem können die aktuellen Hauptdarsteller nicht verbergen, dass ihnen die Selbstinszenierung unangenehm ist. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zählen nicht zu den Charismatikern des Polit-Theaters, wollen es nicht sein.

Vorbei die Zeiten, als ein Kanzler "Bild, Bams und Glotze" zu seinem Resonanzboden erklärte. Am Ende war vielen die mediale Selbstinszenierung Schröders über. Ob die deutsche Mediendemokratie ihren Zenit nun bereits überschritten hat? Es wäre eine gute Entwicklung.

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