Inklusion: Ein fragwürdiges Spiel auf Zeit

Gemeinsamer Unterricht Behinderter und Nichtbehinderter

Die Landesregierung könnte es sich einfach machen. Eine schon seit 2009 geltende UN-Bestimmung verlangt, dass die Länder die sogenannte Inklusion ermöglichen müssen. Das heißt, jeder Behinderte hat das Recht, nicht mehr in eine Förderschule zu gehen, sondern mit Nichtbehinderten gemeinsam unterrichtet zu werden. Die Regierung ist also sogar dazu verpflichtet, dass das klappt. So die Theorie.

In der Praxis hakt es allerdings, weil die Landesregierung solch einen weitreichenden und vor allem teuren Schritt nicht einfach anordnen kann. Denn wenn man die Inklusion sinnvoll umsetzen will, kostet sie ungemein viel Geld. Das Land stellt sich vor, dass die Städte und Gemeinden bezahlen. Die wollen nicht, drohen mit Klage.

Um gerade bei solch einem sensiblen Thema juristische Auseinandersetzungen zu verhindern, gibt es jetzt ein fragwürdiges Spiel auf Zeit: Am Mittwoch wird das Gesetz zwar wohl verabschiedet werden, soll aber erst im kommenden Schuljahr gelten. SPD und Grüne hoffen, bis dann die Kostendiskussion mit Städten und Gemeinden erfolgreich zu beenden. Allerdings haben auch in den vergangenen Wochen Regierung und kommunale Spitzenverbände um eine Lösung gerungen. Warum das mit zeitlicher Verzögerung besser klappen soll, ist rätselhaft.

Schade, dass das gute Ziel, Behinderte optimal zu fördern, wegen der Geldfrage in den Hintergrund tritt. Doch wenn man Inklusion praktizieren will, ist das teuer. Dabei geht es nicht nur etwa um rollstuhlgerechte Zugänge — zumal Körperbehinderte lediglich einen Teil der Betroffenen ausmachen. Richtig teuer wird es, weil der Inklusions-Unterricht in sehr kleinen Klassen stattfinden und neben dem normalen Lehrer ein Förderlehrer dabei sein sollte. Gerade Letzteres ist leider im Alltag oft nicht der Fall — denn auch heute wird gemeinsamer Unterricht bereits durchgeführt.

Bedauerlich ist, dass beim Ringen um einen politischen Kompromiss die Grundsatzfrage, ob Inklusion generell die für alle Seiten beste Lösung ist, außen vor bleibt. Die Gefahr, dass dabei sowohl Behinderte als auch Nichtbehinderte vom Lernfortschritt her schlechter gestellt sind als bei getrenntem Unterricht, sollte man zumindest vor Augen haben.

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