In Berlin fehlt die liberale Stimme

Kommentar FDP besinnt sich auf ihre traditionellen Positionen

Ein Kommentar von Wolfgang Kolhoff.

Ein Kommentar von Wolfgang Kolhoff.

Die politischen Verhältnisse sind wie einbetoniert. Die Bürger würden heute kaum anders wählen als vor 15 Monaten, sie sind zufrieden. Schlechte Zeiten für einen Wiederaufstieg der FDP. Auch der Untergang dieser traditionsreichen Partei ist nicht mehr ausgeschlossen.

Dabei fehlt die liberale Stimme in der Bundespolitik. Eine Stimme, für die das Erwirtschaften von Wohlstand vor dessen Verteilung kommt, die die freie Entscheidung des Einzelnen der des Staates vorzieht, die um günstige Bedingungen für kleinere Firmen kämpft und die staatliche Eingriffe in die Privatsphäre blockiert.

Auch wenn man all diese Standpunkte nicht teilt, so haben sie doch ihre Berechtigung. Sie haben, neben der Sozialpartnerschaft, Anteil am Erfolg unseres Landes. Doch derzeit sitzen im Bundestag nur Parteien, die, mit Ausnahme des schnell kuschenden Wirtschaftsflügels der Union, Anhänger staatlicher Verteilung, Regelung oder gar Bevormundung sind. Das wird sich noch einmal fatal auswirken, wenn der Antrieb fehlt, das Land besser für die Zukunft aufzustellen. Europa- und ausländerfeindliche Kräfte wie die AfD oder Pegida sichern diese Zukunft jedenfalls nicht.

Der junge FDP-Vorsitzende Christian Lindner stemmt praktisch allein eine riesige Aufgabe. Er orientiert seine Partei auf eine Linie, die im Grunde die alte ist, aber klarer. Wirtschaftsliberalismus und liberale Rechtsstaatspolitik, dazu die Abgrenzung von Eurokritikern und Ausländerfeinden. Offenheit, Toleranz, Bildungschancen, Leistung. Das waren die Kernaussagen beim Dreikönigstreffen in Stuttgart.

Aber Vertrauen, das verlorengegangen ist, braucht lange, um wieder zu wachsen. Auch eine neue Parteifarbe hilft da nicht viel. Nicht vergessen ist der Lobbyismus, mit dem die FDP die eigenen Ideale von Leistung und Chancengerechtigkeit zugunsten bestimmter, üppig spendender Branchen verraten hat. Und überwunden sind auch noch nicht die rückwärtsgewandten Kämpfe etwa gegen die Energiewende. Christian Lindner und die FDP brauchen Konzentration, Disziplin und hohe Frustrationstoleranz, um 2017 überhaupt eine Chance zu haben. Und selbst dann muss noch das Glück des richtigen Augenblicks dazukommen.

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