Hartz IV-Debatte: Mehr Sachlichkeit wäre angebracht

Die gestrige Bundestagsdebatte um Hartz IV wurde zu einer scharfen parlamentarischen Auseinandersetzung. Alle Beteiligte wissen, dass es sich um ein innenpolitisches Schlüsselvorhaben handelt: Es ging erst in zweiter Linie um fünf Euro mehr oder Bildungspakete für Kinder.

Es ging zuallererst um die Deutungshoheit der seit sieben Jahren währenden Hartz-Historie.

SPD und Grüne hatten 2003 zu den sozial einschneidenden Maßnahmen gegriffen, um die soziale Balance des Staates halbwegs halten zu können. Die Unionsparteien hatten die Notwendigkeit des Umbaus des Sozialstaates anerkannt und im Bundesrat zugestimmt. Von dieser einst gemeinsamen politischen Verantwortung war in der erhitzten Debatte nichts mehr zu spüren: Die SPD wetterte gegen staatlichen Geiz gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft und bescheinigte der Arbeitsministerin "warme Worte, aber eine kalte Politik". Ursula von der Leyen kritisierte das Gesetz, dem sie selbst zugestimmt hatte, als "fehlerhaft" und von der SPD zu verantworten.

Der Wahlkampf in Hamburg und Baden-Württemberg lässt grüßen. Doch der sensiblen Materie war der ruppige Debattenstil nicht angemessen. Die politisch Verantwortlichen wissen sehr gut, dass sie selbst von dem kargen Hartz-Budget niemals würden leben wollen. Denn es handelt sich auch bei der Fünf-Euro-Erhöhung um eine Zumutung. Allerdings eine absichtliche. Die bewusst niedrige staatliche Unterstützung und ihre minimale Steigerung soll den Empfängern den Anreiz geben, sich um eine reguläre Arbeit zu kümmern. Sie will verhindern, dass es Familien gibt, die in zweiter oder dritter Generation von Hartz abhängig sind. Die Gesetzgebung musste bei der Festlegung der Sätze vermeiden, dass sich Arbeitslose durch staatliche Sozialleistungen beinahe besser stellen als Menschen, die in (Niedrig)-Lohn und Brot stehen.

Diese grob skizzierte Motivlage galt für die Einführung der Hartz-Versorgung 2003. Sie gilt aber auch für die gestern verabschiedete Neuregelung. Und zwar bis ins letzte Detail: Die Streichung staatlicher Alkohol-Subventionen für Hartz-Empfänger mag hartherzig wirken. Aber sie dient auch dem Ziel, Arbeitslose anzuspornen, wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren.

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