Meinung Gleichberechtigung hängt nicht an zwei Buchstaben

Sie sehe nicht ein, dass sie als Frau totgeschwiegen werde. So argumentierte die Frau, die vor dem Bundesgerichtshof mit ihrer Forderung scheiterte, in Bankformularen als „Kundin“ bezeichnet zu werden.

Meinung: Gleichberechtigung hängt nicht an zwei Buchstaben
Foto: Sergej Lepke

Mag sein, dass ein Mann sich in dieses Totschweigen nicht so recht hineinversetzen kann. Eben weil er, der Mann, ja immer direkt angesprochen ist — in Gesetzestexten, wo etwa von Käufer oder Mieter die Rede ist. Oder in Formularen, wo lediglich „Kunde“ steht. Und doch gibt es sie, die Käuferinnen, Mieterinen und Kundinnen.

Natürlich könnte der Verfasser — oder muss es heißen Verfasser*in? — von Gesetzen oder Verträgen immer sowohl die männliche und die weibliche Form ansprechen. Doch das macht die ohnehin schon verworren klingenden Texte noch unleserlicher. Und mit zwei Geschlechtern ist es spätestens nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr nicht mehr getan. In Zukunft kann, wer sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, den Geburtseintrag „divers“ durchsetzen. Entsprechend müsste eine Bank neben „Kontoinhaber“ und „Kontoinhaberin“ eine dritte Rubrik führen.

Sprache sei der Schlüssel zur Gleichberechtigung, hat die gestern unterlegene Klägerin argumentiert, die nun den Streit vor den Europäischen Gerichtshof ziehen will. Doch schon mit der Ausschöpfung des deutschen Rechtswegs tut sie der Sache keinen Gefallen, zieht eher Hohn und Spott auf sich. Statt Kontoinhaber und Kontoinhaberin solle man doch einheitlich Kontoinhaberich sagen, heißt es etwa in einem Internetkommentar. Oder dies: „Wenn die Dame von einer Bank einen geschlossenen Immobilienfonds angedreht bekommt, mit dem sie ihr Vermögen verliert, dann ist die Bezeichnung als ,Kunde’ im Formular ihr geringstes Problem.“

Der Bundesgerichtshof sagt zu Recht: Niemand wird allein dadurch benachteiligt, dass im Bankformular eine „generisch maskuline Personenbezeichnung“ verwendet wird — also die maskuline Form, die auch Frauen meint. Im Übrigen kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, die deutsche Sprache fortzuentwickeln.

Übrigens: Heute wird Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt. Dabei heißt es doch in Artikel 63 Grundgesetz: „ Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.“ Angela Merkel juckt das nicht. Sie regiert einfach weiter und weiter . . .

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