Meinung : Gewalt gegen Frauen ist immer noch ein Tabuthema
Meinung Die öffentliche Bestürzung ist groß, wenn Frauen aus anderen Kulturkreisen zwangsverheiratet werden, zum Opfer von Genitalverstümmelungen oder gar von „Ehrenmorden“. Doch Gewalt gegen Frauen gehört auch in der deutschen Gesellschaft zu den alltäglichen Scheußlichkeiten.
Laut Statistik wurden im vergangenen Jahr insgesamt 122 Frauen von ihren Partnern umgebracht. Im Schnitt also an jedem dritten Tag eine Tote. Mehr als 114 000 Frauen in Deutschland waren 2018 von Partnerschaftsgewalt betroffen, angefangen von sexueller Nötigung über Körperverletzung bis hin zu Mord und Totschlag. Und selbst das dürfte nur ein Teil der Wahrheit sein. Denn Straftaten im Zusammenhang mit dem Partner werden wohl kaum in jedem Fall gemeldet. Die Dunkelziffer liegt höher.
Zu tun hat das auch mit einer gesellschaftlichen Verharmlosung des Themas. Wenn von Beziehungstaten oder einer Familientragödie die Rede ist, dann drohen die Grenzen zwischen Tätern und Opfern zu verschwimmen. Dann suggeriert das automatisch, dass da wohl niemand unschuldig gewesen sein kann. Schon deshalb werden viele Betroffene das Erlebte nicht offenbaren.
Die Unterstützungsangebote sind ohnehin rar gesät. Bis heute haben es die zuständigen Bundesländer nicht vermocht, genügend Plätze in Frauenhäusern zur Verfügung zu stellen. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass jede dritte Frau einmal im Leben Gewalt erlebt, aber nur jede Fünfte wendet sich deshalb auch an eine Beratungsstelle.