Gesundheitsreform: Eine Ohrfeige, die gar nicht weh tut

Jubel bei Ulla Schmidt. Ihre Gesundheitsreform erhielt eine gerichtliche Bestätigung. Die privaten Krankenversicherungen hingegen empfingen eine schallende Ohrfeige für ihren Versuch, sich vor allem gegen den sogenannten Basistarif zu wehren, einem der Kernpunkte dieser Reform.

Das klingt nach einer dramatischen Richtungsentscheidung. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich allerdings Überraschendes: Die privaten Kassen haben eigentlich keinen Grund zum Lamentieren - und der Gesundheitsreform droht möglicherweise doch noch Ungemach.

Die Privaten müssen sich jetzt eben mit dem Basistarif arrangieren. Dessen Grundidee ist, dass diese Unternehmen auch Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - eigentlich keinen Versicherungsschutz mehr bekommen, aufnehmen müssen. Damit können in vielen Fällen soziale Härten vermieden werden. Andererseits ist es der eigentlich untaugliche Versuch, zwei parallel bestehende unterschiedliche Systeme der Krankenversicherung zu vermengen.

Erste Erfahrungen mit dem Basistarif zeigen, dass er nicht die befürchtete Bedrohung des Geschäftsmodells der Privaten darstellt. Er ist schlicht zu unattraktiv. Denn für rund 570 Euro im Monat bekommt der Kunde einen Schutz, der nicht besser als in der gesetzlichen Kasse ist. Für diesen Preis erhalten die meisten Menschen, so sie akzeptiert werden, in Normaltarifen attraktivere, individuell gestaltete Leistungen. Kein Wunder, dass bisher nur etwa 6000 Menschen den Basistarif gewählt haben.

Für die Gesundheitsreform selbst lassen sich klare Stopp-Signale aus dem Urteil herauslesen. Ein Sozialrechtsprofessor, der die Interessen der Privaten vertritt, freute sich gestern sogar darüber, dass die Politik nunmehr keinen Freifahrtschein mehr habe, das System der Privatkassen weiter auszuhöhlen.

Ein Kernpunkt der Gesundheitsreform ist hingegen gar nicht behandelt worden: Um die kostenlose Familienversicherung zu ermöglichen, fließen hohe Zuschüsse aus Steuergeldern an die gesetzlichen Kassen. Privatversicherte hingegen müssen für jedes Familienmitglied selbst zahlen. Es gibt Fachleute, die diese Ungleichbehandlung als nicht verfassungskonform sehen. In Sachen Gesundheitsreform bleibt es also spannend.

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