Für Wulff wird die Luft immer dünner

Hat der Bundespräsident wieder nicht alles gesagt?

Der Grat zwischen der Befriedigung des öffentlichen Interesses und einer Kampagne ist schmal. Aus diesem Grund haben sich die meisten Medien in Deutschland in der Berichterstattung über das umstrittene Darlehen von Bundespräsident Christian Wulff professionell zurückgehalten. Niemand kann behaupten, es gebe ein Kesseltreiben auf das jüngste Staatsoberhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wenn nun aber wahr ist, was am Freitag an die Öffentlichkeit gelangte, könnte sich der Ton gegen Wulff deutlich verschärfen. Der Bundespräsident hatte am Donnerstag sein Schweigen darüber bedauert, dass er für sein neues Haus das Darlehen einer befreundeten Unternehmergattin in Anspruch genommen hat. Damals war Wulff noch Ministerpräsident von Niedersachsen. Ein echter Befreiungsschlag war sein Bedauern nicht. Der Bundespräsident bleibt angeschlagen. Stärkstes Anzeichen dafür ist die Tatsache, dass Kanzlerin Angela Merkel sich vor das Staatsoberhaupt stellen zu müssen glaubt.

Es ist möglich, dass selbst diese kaum hilfreiche Unterstützung ausbleibt, wenn sich herausstellt, dass Darlehensgeber nicht die Frau des Unternehmers war, sondern der Unternehmer selbst. So hat es der Mann dem „Spiegel“ offenbar ins Blatt diktiert. Dass er sich im selben Interview „langjähriger Freund Wulffs“ nennt, ist entweder Naivität oder Kalkül.

Wulffs Anwälte dementieren die Aussagen des Unternehmers zwar. Aber dennoch steht seit Freitag im Raum, dass der Präsident dem Landtag von Niedersachsen im vergangenen Jahr und den Bürgern am Donnerstag nicht alles über das Darlehen gesagt hat. Das wöge so schwer, dass ihm der Rückhalt im Volk und in der Politik verloren gehen könnte. Denn der Bundespräsident soll Mahner und Versöhner sein, er soll die Person sein, an der sich Demokratieverständnis und gesellschaftliche Verantwortung ausrichten.

Horst Köhler ist als Bundespräsident gescheitert, weil er einen wichtigen Teil der Wahrheit über Auslandseinsätze der Bundeswehr gesagt hat und nicht standhaft genug war. Christian Wulff könnte scheitern, weil er einen wichtigen Teil der Wahrheit über einen Privatkredit unerwähnt ließ. In beiden Fällen ist der Schaden für das Amt des Bundespräsidenten immens.

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