Meinung Für eine Welt mit Bargeld

Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Aller Technik zum Trotz wird hierzulande noch mehr als die Hälfte der Einkäufe im Einzelhandel mit Schein und Münze bezahlt. Bargeld — das ist für viele „geprägte Freiheit“.

Es gibt gute Gründe für eine solche Haltung: Wer Scheine und Münzen in die Hand nimmt, hat eine stärkere Kontrolle über seine Ausgaben, er weiß den Wert des Geldes besser zu schätzen. Wer bar bezahlt, muss sich nicht vor Hackerangriffen, Stromausfällen und Cyber-Kriminalität fürchten. Und er weiß, dass seine Transaktionen nicht überwacht werden können.

Doch an dieser Stelle haken diejenigen ein, für die Papiergeld ein Auslaufmodell ist. Deutsche-Bank-Chef John Cryan argumentierte jüngst, dass Bargeld nur noch Geldwäschern und anderen Kriminellen hilft, ihre Geschäfte zu verschleiern. Mit einer Abschaffung des Bargelds könnten die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen ausgetrocknet werden. 500-Euro-Scheine etwa werden eher selten beim normalen Einkauf benutzt. Sie helfen vor allem demjenigen, der möglichst viel Geld in kleinen Koffern transportieren möchte. Restaurants, die nur Bargeld akzeptieren, können ihre Einnahmen viel leichter vor dem Finanzamt verschleiern. Schwarzarbeit ist ohne Bargeld kaum noch möglich.

Rational spricht vieles für eine Welt ohne Bargeld. In Skandinavien ist es bereits üblich, selbst den Kaugummi am Kiosk mit der Plastikkarte zu bezahlen. „Bargeld braucht nur noch deine Oma — und der Bankräuber“ — so lautet etwa der provokante Slogan von schwedischen Bargeldgegnern. Ja, es ist praktisch, einfach eine Karte zu zücken. Ja, es kann auch sinnvoll sein, das Kleingeld abzuschaffen.

Aber eine Gesellschaft ganz ohne Bargeld? Nein. Der Bürger sollte weiterhin die Wahl haben, wie er bezahlen möchte. Eine Welt ohne Bargeld beschert Banken eine neue Machtfülle. Geld ist nicht allein rational zu erfassen. Es ist emotional — und nicht zuletzt ein Stück Kulturgut.

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