Meinung Eine Art Fridays-for-Future gegen die Finanzwelt

Meinung | Düsseldorf · Die „Bürgerbewegung Finanzwende“ ist ein Jahr alt. Noch ist sie ein Zwerg im Kampf gegen die Lobby der Finanzwirtschaft. Ein Wachstumsschub wäre ihr zu wünschen.

Cum-Ex-Geschäfte, bei denen die Steuerkasse trickreich und mit Hilfe von Banken um Milliarden geplündert wurde. Die 2008 ausgelöste Finanzkrise, deren Folgen wir alle bis heute tragen. Die Niedrigzinsen, die wirken wie eine Steuer zu Lasten der Sparer zur Bewältigung der Krise. Oder der nächste Börsencrash, der von „Experten“ schon mehr oder weniger genau datiert wird – all das kann man unter Verweis auf die eigene Ohnmacht hinnehmen. Oder aber etwas dagegen unternehmen. Wie es der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick mit seiner vor einem Jahr gegründeten „Bürgerbewegung  Finanzwende“ getan hat. Eine Art Foodwatch für die Finanzwelt, die Banken und Versicherungen auf die Finger schaut. Eine politisch-lobbyistische Ergänzung zur wichtigen Arbeit der Verbraucherzentralen.

Der mächtigen Bankenlobby etwas entgegen zu halten, erscheint längst nicht mehr so traumtänzerisch, wie manch einer das noch vor einem Jahr bespöttelte. Wer hätte gedacht, dass das sperrige Thema der Steuergerechtigkeit sogar einen Mann an die Spitze der SPD spülen würde, der eben damit die Genossen zu begeistern verstand: Norbert Walter-Borjans hatte als NRW-Finanzminister mit dem Ankauf von Steuer-CDs bewiesen, dass die Machtlosigkeit gegenüber betonhart scheinenden Strukturen eben nicht einfach hingenommen werden muss. Wird die Steuerkasse ausgeplündert, darf ein Achselzucken nicht die Antwort sein. Denn jeder Euro, den diejenigen „sparen“, die sich der finanziellen Beteiligung an der Aufrechterhaltung des Gemeinwesens entziehen, muss von allen anderen aufgebracht werden. Oder wie Walter-Borjans es sagt: „Wir alle zahlen die Rechnung. Entweder, weil wir mehr Steuern zahlen müssen als nötig wäre, wenn sich auch die Drückeberger beteiligen würden, oder weil der Staat dringend Nötiges nicht finanzieren würde“.

Ermutigend sind auch die Signale des Bonner Landgerichts, wo der erste Cum-Ex-Strafprozess verhandelt wird. Schon vor dem Urteil hat das Gericht signalisiert, dass der Beutezug zu Lasten der Steuerkasse eben nicht nur das ebenso clevere wie asoziale Ausnutzen von Gesetzeslücken war. Sondern dass dieses Handeln strafwürdig ist.

Das Thema geht wirklich jeden etwas an. Noch ist die neue Gegenlobby ein Zwerg etwa im Vergleich zur Fridays-for-Future-Bewegung. Dem Zwerg ist ein Wachstumsschub zu wünschen. Denn die Warnung von „Finanzwende“ ist so bitterernst wie relevant: Die Finanzkrise ist nicht vorbei, sie sucht sich nur gerade ihre nächsten Opfer. Sie frisst sich in die Altersvorsorge oder die Mieten, vom Börsenparkett in die privaten Wohnzimmer.

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