Meinung Europäische Stahlindustrie steht am Abgrund

Es war 1987. In Duisburg verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Das Stahlwerk Rheinhausen soll geschlossen werden. Es folgte der bis dahin längste Arbeitskampf der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Vergeblich, das Werk wurde geschlossen. Knapp 30 Jahre später gehen am größten deutschen Stahlstandort in Duisburg wieder 16 000 Arbeiter auf die Straße. Wieder geht es ums Überleben. Doch richtet sich der Kampf dieses Mal nicht gegen Vorstand und Management. Sie stehen gemeinsam mit Politikern und Bürgermeistern an der Seite der Mitarbeiter.

Die Zukunft der Stahlindustrie in Europa hängt jetzt vor allem an der Europäischen Union. Und das aus zwei Gründen: Da ist zum einen der Emissionshandel. Dieser regelt, wie viel klimaschädliches CO2 die Konzerne in die Luft blasen dürfen. Bisher wurden Emissionserlaubnisse teils kostenfrei an die Industrie abgegeben. Nach und nach sollte das Angebot der Zertifikate verknappt und damit teurer werden. Im Kampf gegen den Klimawandel will die EU den Prozess nun beschleunigen. Allein deutschen Betrieben dürften Mehrkosten von einer Milliarde Euro pro Jahr entstehen. Nicht tragbar, sagen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unisono.

Denn es kommt ein zweiter Grund ins Spiel. China wirft unablässig hochsubventionierten Stahl zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt — produziert unter katastrophalen Umwelt- und Arbeitsbedingungen. Seit 2010 haben die Chinesen den Export in die EU verdoppelt und damit das Problem der Überkapazitäten enorm verschärft. Vor allem Hersteller von Massenware in Europa stehen unter Druck. Während die USA ihre heimische Industrie mit Schutzzöllen von teilweise mehr als 250 Prozent vor der Stahlflut aus China schützt, kann sich die EU bisher lediglich zu Strafzöllen von 13,8 bis 16 Prozent durchringen.

Die Allianz zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und heimischen Politikern zeigt die Brisanz des Themas und geht weit über den üblichen Reflex hinaus, in der Krise nach staatlicher Unterstützung zu rufen. Wettbewerbsfähige Unternehmen dürfen nicht durch subventionierte Importe vom Markt gedrängt werden.

Bei aller berechtigter Klage dürfte aber allen Beteiligten klar sein, dass Europas Stahlbranche ohne tiefe Einschnitte nicht zukunftsfest werden kann. Weitere Firmenzusammenschlüsse und Werkschließungen werden kommen.

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