EU: Nur eine scheinheilige Empörung

Ob es um den Grad der Krümmung von Gurken, die exakte Zählung aller Milchkühe oder um alberne, aber politisch korrekte, geschlechtsneutrale Bezeichnungen in allen Lebenslagen geht: Die Europäische Union ist stets gut dafür, ein verständnisloses Kopfschütteln bei ihren 500 Millionen Einwohnern auszulösen.

Wobei es oft nicht beim amüsierten Schmunzeln bleibt, denn mit der EU assoziieren die meisten auch einen aufgeblähten Verwaltungsapparat mit luxuriös alimentierten Mitarbeitern. Die EU hat das schlimme Image, teuer und uneffektiv zu sein. Woran übrigens nationale Politiker nicht unschuldig sind. Denn für sie ist es oft bequem, die Schuld den "Bürokraten in Brüssel" zu geben.

Barrosos Forderung, die EU müsse eigene Finanzquellen erschließen, egal ob direkte Steuern oder Anleihen, verschreckt Bürger und alle 27 Mitgliedsstaaten. Der Verdacht, dass sich Brüssel für hemmungsloses Geldausgeben jetzt sogar ein Selbstbedienungssystem bastelt, liegt nah. Außerdem haben bislang die einzelnen Staaten, wenn sie etwa per Umlage die EU finanzieren, das Gefühl, sie können als "Zahlmeister" auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Was allerdings eine Illusion ist.

Denn auch wenn es unsere nationalen Politiker wegen ihres Selbstwertgefühls und der Wirkung im Lande nicht zugeben wollen: Längst haben sie in wichtigen Fragen die Macht abgegeben. Dabei geht es nicht nur um Kuriositäten wie krumme Gurken, sondern um Kernthemen. Selbst ihre eigenen Finanzen dürfen die Mitgliedsstaaten nur bedingt selbst regeln.

Und wir sind auf dem Weg zu einer europäischen Wirtschaftsregierung. Insofern ist die Empörung in den einzelnen Ländern über den Wunsch nach direkten Einnahmen verständlich, aber scheinheilig. Denn die nationalen Politiker wissen viel besser als der Bürger, dass der Spielraum der Staaten längst sehr eng geworden ist. Doch das ist nicht schlimm.

Denn wenn wir eine starke Union wollen, um in ganz Europa wirtschaftlich voran zu kommen, gut leben zu können und international stark zu sein, müssen wir diesen Weg auch konsequent gehen. Dazu gehört eine direkte Finanzierung. Allerdings muss die Union dann zu einer verantwortungsvollen Ausgabenpolitik finden.

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