Eine Pflegereform ist nichts für Feiglinge

Altwerden ist nichts für Feiglinge. Dieses Zitat wird der amerikanischen Schauspielerin Bette Davis zugesprochen. Und wer die Studie der Hamburger Rechtsmediziner liest, der kann dem nur beipflichten.

Zwar ist in den vergangenen Jahren einiges passiert, um die Pflege zu verbessern. Doch die Hamburger Studie zeigt gleich zweierlei: Es muss mehr getan werden, um ein Altwerden in Würde zu gewährleisten. Und der Reformbedarf ist nicht auf die Heime begrenzt - denn Missstände gibt es auch in Kliniken und im häuslichen Bereich.

Unsere Gesellschaft weiß, dass sie auf eine Überalterung zusteuert. Sie hat aber immer noch nicht die Konsequenzen daraus gezogen. Das wird jedem deutlich, der beispielsweise mit offenen Augen durch Krankenhäuser geht, die kaum auf alte und demenzkranke Patienten eingestellt sind - weder bei der Ausbildung des Personals, noch bei der Einrichtung.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Das Pflege- und Gesundheitssystem ist schon jetzt an seine finanziellen Grenzen gelangt. Über neue, weitreichende Investitionen wagt niemand mehr zu sprechen. Derweil tickt die Zeitbombe weiter.

Wir brauchen dringend die von Experten vorgeschlagene Reform des Pflegebegriffs, damit die Minutenpflege endlich der Vergangenheit angehört. Diese Reform käme Pflegekräften in Heimen, in ambulanten Diensten, aber auch pflegenden Angehörigen zugute.

Weil die Reform Mehrkosten von bis zu vier Milliarden Euro mit sich bringen wird, brauchen wir eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Und die ist - um bei Bette Davis zu bleiben - nichts für Feiglinge in der Politik. Auch die Idee der Deutschen Hospiz Stiftung, Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu gründen, ist sinnvoll. Auf diese Weise würden Hemmschwellen gesenkt, um Mängel in der Pflege anzuzeigen.

Um Verbesserung zu erreichen, brauchen wir aber zuerst einen Mentalitätswechsel: Wir dürfen uns beim Thema Altwerden nicht mehr feige abwenden - nicht nur, weil wir selbst alt werden wollen. Sondern auch, weil es viel über eine Gesellschaft aussagt, wie sie mit ihren Alten umgeht. Wir müssen mutig hinsehen, auf Missstände aufmerksam machen. Damit wir uns alle auf ein Altern in Würde freuen können.

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