Ein Fußball-Fest im Schatten der Armut

Heute beginnt die Weltmeisterschaft in Brasilien

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: Judith Michaelis

Es gibt nur noch wenige Sportfeste in der Welt, denen man sich mit uneingeschränkter Freude widmen kann. Mal nutzt ein Machthaber das gigantische Treffen der Sportwelt für seine politischen Zwecke, zuletzt geschehen bei Olympia im russischen Sotschi. Dann organisieren die Verbände — ob Uefa oder Fifa — ein Fest des Sports mit funkelnagelneuen und milliardenschweren Arenen und zwingen den Gastgeber, auf Pump zu agieren. Immer mehr Geld fließt in die Verbandsschatulle, der Gastgeber leidet Jahrzehnte später noch an den Betreiberkosten. Zuletzt geschehen bei der WM 2010 in Südafrika.

Bei einer Fußball-WM in Brasilien sollte das alles anders sein. Der fünffache Weltmeister lädt an die Copacabana: Sonne, Sand, Spektakel — was klingt verlockender? Was sollte das Herz der Fußball-Fans ab heute Abend höher schlagen lassen?

Natürlich müssen wir vor dem Start nicht alles schwarzsehen. Die Besten des Fußballs spielen in einem fußballbegeisterten Land einen wahrhaft großen Titel aus. „Weltmeister“, hat Rudi Völler einmal gesagt, „bist du für immer.“ Er war es 1990, und die Frage, wer es ihm 2014 nachmacht, beschäftigt echte Fans einen ganzen Sommer lang. Trotzdem ist klar, dass diese WM weitere Kreise zieht. Eine WM ist nicht mehr nur Fußball, wie das legendäre Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro nicht mehr nur ein Bottich aus Stein ist, in dem sich einst 200 000 Zuschauer drängten. Eine WM ist eine Glamour-Veranstaltung, wie das Maracanã eine Hightech-Arena geworden ist. Und Glamour und Hightech sind Gegensätze zur Armut in einem wirtschaftlich noch wachsenden Schwellenland, dessen Reichtum gleichwohl in den Händen weniger liegt. Die Masse ist bereit zu demonstrieren, sie verteufelt den Fußball-Weltverband und die eigene Regierung, weil ausufernde Gesamtkosten von 8,4 Milliarden Euro den Neid derer wecken, denen Wohnung, Krankenversicherung oder Sicherheit fehlen. Das Paradoxe ist: In Brasilien wird in diesem Jahr die Regierung gewählt, in der Fifa will 2015 Präsident Blatter bestätigt werden. Jene, die sich 2007 euphorisch zusammentaten, um die WM nach Brasilien zu bringen, müssen sieben Jahre später fürchten, über das Fest des Fußballs zu stolpern.

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