Meinung Die unguten Folgen zu großer Mehrheiten

Die Opposition ist entrechtet, sie wird von der Regierungsmehrheit der großen Koalition erdrückt. Und die höchsten Richter lassen es geschehen. So könnte man das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lesen, das der Linkspartei im Bundestag mehr Kontrollrechte verweigert hat.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Doch was hätte eine leichtere Überprüfbarkeit der durch die Mehrheit beschlossenen Gesetze bedeutet? Es wäre der Opposition leichter gemacht worden, die Debatte über die Gesetze und damit über die „richtige oder falsche Politik“ auf eine andere Ebene zu heben — vom Bundestag auf das Verfassungsgericht. Diesem wird doch jetzt schon oft genug vorgehalten, sich in die Politik einzumischen. Senkte man die Hürden für eine Normenkontrolle, die Überprüfung von Gesetzen, so würde sich diese Tendenz verstärken.

Es geht freilich auch um eine grundsätzliche Frage: Wie stark müssen die Rechte der Opposition, der Minderheit im Parlament, sein? Opposition — das Wort taucht im Grundgesetz gar nicht auf. Und auch im richtigen Leben ist die Opposition auf Bundesebene derzeit nicht gut sichtbar. Was daran liegt, dass sich die (einstmals) großen Parteien Union und SPD in Berlin zusammengetan haben und 503 der 630 Sitze auf sich vereinen. Für die Kleinen — Grüne und Linke — bleibt da nicht viel Platz.

In einer parlamentarischen Demokratie sollte das kein Dauerzustand sein. Denn eine schwache Opposition führt dazu, dass die Opposition außerhalb des Parlaments zunimmt — und zwar in ungeordneteren Bahnen, als es beim Austausch der Argumente und dem Finden von Kompromissen im Parlament der Fall ist. Das war so zu Zeiten der Bonner Großen Koalition ab 1966, die die Außerparlamentarische Opposition auf den Plan brachte. Und das ist auch derzeit wieder so. In einer Zeit, in der sich viele Menschen nicht mehr repräsentiert fühlen, führt dies zu Protest auf der Straße (Pegida) oder dem Zusammenfinden in dem neuen Sammelbecken für die Unzufriedenen dieser Republik, der AfD.

Als Union und SPD im Dezember 2013 ihren Koalitionsvertrag schlossen, da versprachen sie, von sich aus die Minderheitenrechte im Bundestag zu schützen. Denn, so die gleichzeitig von den Koalitionären notierte Einsicht: „Eine starke Demokratie braucht die Opposition im Parlament.“ Die wird sie, so sieht es jedenfalls derzeit aus, schon bald wieder haben. Doch das dürfte eine ganz andere sein als bisher.

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