Die überfällige Auseinandersetzung mit der Piratenpartei

Die Piraten stehen vor dem Einzug in den NRW-Landtag

Drei Wochen vor der Landtagswahl scheint ein Gewinner schon festzustehen: Die Piraten werden mit großer Wahrscheinlichkeit im nächsten Landtag sitzen. In allen Umfragen liegen sie weit jenseits der Fünf-Prozent-Hürde. Das ist ein nahezu beispielloser Aufstieg einer Partei, die noch vor einem Jahr Exotenstatus hatte. Dieses Phänomen mit der NSDAP zu vergleichen — wie es ein Berliner Pirat nun tat —, ist freilich ebenso unhistorisch wie falsch. Das ist kein Debattenbeitrag, sondern nur ein peinlicher Ausrutscher — abhaken und vergessen.

Dabei ist eine ernsthafte Debatte über die Piraten dringend notwendig. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit dem Piraten-Programm. Und da reibt man sich doch verwundert die Augen: kleine Klassen in der Grundschule, kostenfreie Nutzung von Bussen und Bahnen — alleine das kostet mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr. Dazu kommt noch das bedingungsfreie Grundeinkommen (mehr als 60 Milliarden Euro) als bundespolitische Forderung — in den Kernbereichen ist das Piratenprogramm ein unbezahlbares Potpourri aus dem politischen Wünsch-Dir-Was.

Gleichwohl scheuen die anderen Parteien die harte Auseinandersetzung. Sie fürchten, im Vergleich mit den frisch und unverbraucht wirkenden politischen Freibeutern als langweilige Rechthaber dazustehen.

Und diese Sorge ist nur allzu berechtigt. Denn den Wählern ist es offenkundig recht egal, ob das Programm der Piraten fundiert ist und ob die neue Partei Antworten auf alle oder doch wenigstens die wichtigsten Probleme hat. Sie haben einfach die Nase voll von den etablierten Parteien, die sich in den vergangenen Jahren oftmals nur um sich selbst drehten, sich mit immer abstrakteren Diskussionen um Rettungsschirme, Politikerrabatte und Diätenerhöhungen immer weiter vom Bürger entfernten.

Die Piraten sind also eine Herausforderung für die Etablierten. Sie sind aber auch eine große Chance. Denn in einem ernsthaften Disput können die anderen Parteien nachweisen, dass Politik sehr viel Mühe macht, weil sie die Kunst des realistischen Kompromisses ist. Das ist nicht so spektakulär, hat dafür aber sehr viel mit Verantwortung zu tun. Und darum geht es schließlich.

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