Die Nato ist nur noch ein zahnloser Tiger

Im Militärbündnis vertritt jedes Land seine eigenen Interessen

Nicht nur auf dem Papier, sondern vor allem mit Blick auf ihre historische Leistung ist die Nato die mächtigste noch verbliebene Militärallianz. Sie trug während des Kalten Krieges zur Stabilisierung der Welt bei und hielt die Staatengemeinschaft auch in stürmischen Zeiten bei der Stange. Doch das ist Nostalgie. Denn der Libyen-Konflikt zeigt einmal mehr, dass die Nato heute, mehr als 60 Jahre nach ihrer Gründung, nur noch ein zahnloser Tiger ist. Das Wort „Zerreißprobe“ gehört längst ins ständige Vokabular des atlantischen Verteidigungsbündnisses.

Die Spaltung drohte bereits im Streit um ein militärisches Vorgehen gegen den Irak, sie drohte wegen des Einsatzes in Afghanistan, und jetzt sind der Nato im Kampf gegen Gaddafi die Hände gebunden. Warum? Weil die 28 Mitglieder nicht mit einer Stimme sprechen, weil eigene Interessen im Vordergrund stehen.

Das lässt sich kaum besser demonstrieren als an Frankreichs Staatspräsident Sarkozy, der die militärische Vorreiterrolle in Libyen übernahm, um innenpolitisch Boden gutzumachen. Wenn aber politische Unterschiede die Entscheidungsfähigkeit der Allianz lähmen, muss sich die Nato fragen, ob sie künftigen Herausforderungen noch gewachsen ist.

Dass sich die Türkei als Bremser erweist, kann ebenfalls nicht verwundern. Offiziell heißt es, man befürchte negative Folgen für die Nato — gilt doch das Image des Bündnisses im arabischen Raum seit dem Irak-Krieg als aggressiv. Tatsächlich aber sorgt sich Regierungschef Erdogan um das eigene Ansehen in den muslimischen Ländern. Nicht zuletzt hat Ankara in Libyen erhebliche wirtschaftliche Interessen und damit viel zu verlieren.

Gaddafi wird zur Nagelprobe für die Nato. Mit jedem weiteren Tag, den sie hilflos um ihre Position ringt, verliert sie an Akzeptanz in der Welt. Vergessen werden sollte auch nicht, dass zur gleichen Zeit Soldaten mehrerer Nato-Staaten ihr Leben riskieren, um die UN-Resolution durchzusetzen. Ihren Ruf als globale Feuerwehr hat die Nato spätestens jetzt endgültig verwirkt.

Das neue Krisenszenario: Die USA halten das militärische Ruder in der Hand, an ihrer Seite die britischen und französischen Partner. Der Rest der Staatengemeinschaft rangiert wie so oft unter „ferner liefen“.

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