Die FDP sucht den Superliberalen

Die FDP hat knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen beschlossen, auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner in Berlin und Düsseldorf zu bleiben. Das deutliche Votum für das in der Union kritisierte fünfstufige Steuersystem ist ein klares Signal an Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Die Liberalen halten an dem fest, was sie den Bürgern vor der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres versprachen: weniger Staat, mehr privat, weniger Steuerlast.

Dass die Mehrheit in Deutschland Schuldenabbau statt Steuersenkung fordert und die Liberalen auch deshalb in Umfragen immer wieder abstraft, ficht die FDP nicht an. Es darf sie auch nicht anfechten, weil sie Profil braucht, um wenigstens noch von ihrer Stammklientel erkannt zu werden. Auf Leihstimmen der CDU darf sie in NRW nicht mehr hoffen. Denn die Union hat allen Treuebekenntnissen zum Trotz in den Grünen eine echte Koalitionsalternative.

Die FDP befindet sich in einer äußerst schwierigen Lage. Sie hat zur Zeit keine mehrheitsfähigen Politikentwürfe. Und was noch viel schwerer wiegt: Sie hat kein vorzeigbares Personal. Der Vorsitzende und Außenminister Guido Westerwelle kommt aus seinem Umfragetief nicht mehr heraus. Dabei bekleidet er ein Amt, das all seinen Vorgängern sehr schnell sehr viel Sympathie eingebracht hat.

Der ehemalige Generalsekretär Dirk Niebel macht in seinem von ihm ohnehin ungeliebten Entwicklungshilfeministerium keine gute Figur. Und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich bei aller berechtigter Kritik an der katholischen Kirche mit ihrem undiplomatischen Kurs gegen die Bischöfe nicht nur Freunde gemacht.

All das ist unkomfortabel für eine Partei, von der am 9. Mai das Wohl und Wehe einer Landesregierung und der Bundesregierung abhängt, die ihre Mehrheit im Bundesrat verlieren könnte.

Wie bewusst sich die Delegierten in Köln der prekären Lage ihrer Partei gewesen sind, zeigt die Zustimmung, mit der Christian Lindner als Nachfolger von Niebel zum Generalsekretär gewählt wurde. Fast 96 Prozent ist ein ungewöhnliches Ergebnis. Es belegt, wie sehr sich die Liberalen nach einer Identifikationsfigur sehnen.

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