Die deutsche Spaß-Hauptstadt

In Berlin haben viele Spaß. Vor allem Bürgermeister Wowereit, der sich aussuchen darf, ob er mit den Grünen oder der CDU weiter regieren darf. Spaß hatte er sogar schon im Wahlkampf, als er stets den lustigen Typen mimte.

Viele Berliner lieben ihn wegen seiner schnoddrigen Sprüche, stören sich auch nicht daran, dass Wowereit konsequent um inhaltliche Aussagen einen großen Bogen macht.

Verblüffend, irritierend und gar nicht so lustig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist der unglaubliche Erfolg der Piratenpartei. Sowas funktioniert in einer bunten Großstadt wie Berlin besonders gut. Dennoch ist deren Erstarken ein Alarmsignal dafür, wie sehr etablierte Parteien an Bürgernähe und Glaubwürdigkeit verloren haben. Was trotz ihres guten Abschneidens auch für die verbürgerlichten Grünen gilt. Wer eine frische, alternative Gruppierung sucht, landet bei den Piraten, oder wie solche bunten Gruppen künftig auch heißen mögen.

Wie für Wowereit gilt auch für die Piraten: Show geht vor Substanz. Ein Wahlprogramm, das hauptsächlich beim Nischenthema Internetfreiheit Profil zeigt, erst kurz vor der Wahl ein paar Sozialthemen auflistet und die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos machen will, ist arg dürftig. Aber zumindest in Berlin ist das erfolgreich. Es wird spannend, wie die Piraten im parlamentarischen Alltag ankommen.

Spaß gab es am Wahlsonntag sogar bei der FDP. Was allerdings nur daran lag, dass sich ungebetene Satiriker bei ihnen einschlichen und „Jetzt-geht’s-los“ skandierten, was man angesichts der liberalen Katastrophe durchaus als pietätlos empfinden konnte. Denn die Wahlergebnisse dieses Jahres waren bisher schon schlimm, seit gestern ist die FDP zur Splitterpartei verkommen. Ein radikaler Kurswechsel könnte anstehen: Vom hektischen Austausch der so jungen Führungsmannschaft bis zum Koalitionsbruch im Bund scheint da in Panikstimmung alles möglich.

Vielleicht nicht Spaß, aber zumindest Freude, konnten Grüne und CDU empfinden. Denn im Gegensatz zu Wowereits SPD legten beide zu. Nicht so glücklich lief es für die Linken: raus aus der Regierung und Stimmenverluste. In einer Stadt mit vielen alten DDR-Fans und über 20 Prozent Hartz-IV-Empfängern ist das bemerkenswert.

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