Die Auswirkungen des Flugverbots: Einer Wolke kann niemand böse sein

Ein Kommentar von Martin Vogler.

Das war ein traumhaftes Frühlingswochenende. Keine Kondensstreifen von Flugzeugen störten das klare Blau des Himmels. Nicht nur in den Kirchen am Sonntagmorgen und in Häusern in Flughafennähe fragten viele: Müssen Leute wirklich in Berlin arbeiten und in Düsseldorf wohnen? Brauchen wir frisch eingeflogene Ananas, Orchideen und Fische zum Glücklichsein? Muss das Billig-T-Shirt aus Asien, wenn wir es denn benötigen, auch noch per Luftftracht reisen? Solche Ausnahmesituationen wie der Totalausfall des Flugverkehrs erschüttern unsere Zukunfts- und Technikgläubigkeit und führen zu einer romantisch-verklärten Sicht, die Begriffe wie wohltuende Entschleunigung oder Poesie des Stillstands freisetzt.

Sogar ein Großteil derer, die direkt unter dem Flugverbot leiden, weil ihre Reise platzt, sie irgendwo festsitzen oder alternative Reisewege wählen müssen, nehmen alles relativ fatalistisch hin. Mancher nutzt den Zusatztag, um sich eine fremde Stadt näher anzuschauen oder versorgt Freunde mit aktuellen Fotos, die statt Mitleid eher Neid auslösen. Entscheidend: Es gibt bislang, anders als bei Streiks oder Organisationspannen, kein klares Feindbild. Und eine Aschewolke zu beschimpfen, wäre albern.

Falls die Einschränkungen weitergehen, könnte die gelassene Stimmung allerdings kippen. Denn das Faszinierende einer Ausnahmesituation verflüchtigt sich, je länger sie anhält. Stellen wir uns einmal vor: Isländische Vulkane schicken uns weiterhin Aschewolken. Das muss nicht einmal zu dauerhaften Flugverboten führen, schon zeitlich begrenzte, aber schwer vorhersagbare Maßnahmen würden genügen. Abgesehen von Autoverleihern, Bahnmanagern und Ausrichtern von Videokonferenzen würde kaum mehr jemand auch nur einen Hauch von Freude empfinden.

Die himmlische Ruhe wäre langfristig eine Katastrophe, die nicht nur die mehr als 30 Millionen Menschen in Europa beträfe, deren Arbeitsplätze am Luftverkehr hängen. Nach Einschätzung von Fachleuten wären nach einem Monat Flugpause die meisten Fluggesellschaften pleite. Insofern ist es mehr als verständlich und angebracht, wenn Airlines die kritische Frage stellen, ob die Verbote in diesem Ausmaß überhaupt angebracht sind.

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