Die Arbeit am Menschen ist der Gesellschaft zu wenig wert

Die neue Bundesregierung lässt es nicht an Ideen fehlen, um dem vielerorts verbreiteten Pflegenotstand im Land abzuhelfen. Zumindest auf dem Papier.

Ein Kommentar von Steffen Vetter.

Ein Kommentar von Steffen Vetter.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Die neue Bundesregierung lässt es nicht an Ideen fehlen, um dem vielerorts verbreiteten Pflegenotstand im Land abzuhelfen. Zumindest auf dem Papier. Mehr Personal, mehr Gehalt und natürlich bessere Arbeitsbedingungen — der schwarz-rote Koalitionsvertrag entwirft eine geradezu rosige Zukunft für den Pflegebereich. Ob die ambitionierten Pläne mehr als nur heiße Luft sind, wird in erster Linie vom zuständigen Minister Jens Spahn abhängen.

Nach einigen umstrittenen Ausflügen in sachfremde Gefilde scheint sich der CDU-Mann nun endlich auf seine Kernaufgaben zu besinnen. Mehr Pflegekräfte aus dem Ausland, lautet Spahns jüngste Devise. Darüber lohnt es tatsächlich, näher nachzudenken. Auch wenn Spahns Vorstoß sicherlich kein Allheilmittel ist. Gegenwärtig sind rund drei Millionen Bürger in Deutschland auf Pflege angewiesen. Gleichzeitig arbeiten insgesamt 1,1 Millionen Personen im Pflegesektor, davon rund jede Dritte als Altenpfleger oder Altenpflegehelfer. Das sind deutlich mehr als noch zur Jahrtausendwende, aber immer noch viel zu wenige, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.

Selbst die von der großen Koalition per „Sofortprogramm“ versprochenen 8000 zusätzlichen Fachkräftestellen wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und trotzdem ist schon diese Zielmarke ehrgeizig, weil der Arbeitsmarkt im Pflegebereich praktisch leer gefegt ist. Vor diesem Hintergrund wären mehr ausländische Pflegemitarbeiter tatsächlich eine Möglichkeit, um das Problem wenigstens zu lindern.

Allerdings stehen auch sie nicht gerade Schlange. Nach Regierungsangaben verdienen Fachkräfte in der Altenpflege gerade einmal 2621 Euro brutto im Monat. Das sind 16 Prozent weniger als der Durchschnitt aller anderen Beschäftigten. In der Industrie etwa lässt sich nicht selten das Doppelte verdienen.

Die Arbeit am Menschen ist der Gesellschaft demnach deutlich weniger wert als die Arbeit an Maschinen. Und beim Betreuungsschlüssel in den Heimen kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Ein seltsamer Flickenteppich. Solange sich an diesen Missständen nichts Grundlegendes ändert, wird sich auch die Personalsituation nicht entspannen. Ausländische Pflegekräfte können dabei nur eine Ergänzung sein. Zumal es hier häufig an guten Sprachkenntnissen mangelt. Auch das sollte Spahn bei seinem Vorschlag berücksichtigen.

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