Meinung Der Nationalismus darf keine neue Chance haben

Meinung · Der Nationalismus wächst wieder – und mit ihm die Bereitschaft, eigene Interessen rücksichtslos gegen andere Staaten durchzusetzen. Er war schon die Pest des letzten Jahrhunderts.

 Nie wieder Krieg“ steht auf Polnisch in großen Lettern auf der Westerplatte vor Danzig, wo am 1. September vor genau 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann.

Nie wieder Krieg“ steht auf Polnisch in großen Lettern auf der Westerplatte vor Danzig, wo am 1. September vor genau 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann.

Foto: picture alliance/dpa/Jens Wolf

Nie wieder Krieg“ steht auf Polnisch in großen Lettern auf der Westerplatte vor Danzig, wo am 1. September vor genau 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann. Keine Frage, niemand will wieder Krieg. Angesichts der Wucht moderner Waffen wäre dieser selbstzerstörerisch. Die Gefahr heute ist eine andere. Sie lautet: Krieg aus Versehen. Krieg aus Überforderung. Oder aus Überschätzung. Die Zahl der Konflikte, kleiner wie großer, ins Unüberschaubare, die Auseinandersetzungen werden multipolar und dazu auch immer vielschichtiger. Hier Grenzstreitigkeiten, dort ethnische Reibereien, Streit um Rohstoffe, Zollkriege, Wanderungsbewegungen, Kampf um regionale Hegemonien, Klimakrise.

Der Nationalismus wächst wieder –  und mit ihm die Bereitschaft, eigene Interessen rücksichtslos gegen andere Staaten durchzusetzen. Gleichzeitig werden die internationalen Institutionen, die das Chaos ordnen sollen, systematisch ausgehöhlt. In vielem erinnert die heutige Lage an die Schlafwandler von 1914, die alle nur ein paar Machtspielchen spielen wollten, jeder für sich, und gemeinsam so den Ersten Weltkrieg lostraten.

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Nicht Land­eroberung für ein „Volk ohne Raum“ (Hitler) wird die Losung sein, die zum nächsten großen Schlachten führen könnte. Sondern „Mein Land zuerst“. Der Nationalismus war schon die Pest des letzten Jahrhunderts. Er darf keine neue Chance bekommen.  Die zwingende Ergänzung des Satzes „Nie wieder Krieg“ muss daher lauten: „Nie wieder Nationalismus“.

Von besonderer Bedeutung ist der Gedenktag im direkten Verhältnis Deutschlands zu Polen. Dieses wird derzeit durch den polnischen Nationalismus belastet. Die in Warschau regierende Partei spielt mit antideutschen Ressentiments und mit Reparationsforderungen in Höhe von 800 Milliarden Euro. Angesichts des großen Leids, das Deutschland in Polen angerichtet hat, ist zwar verständlich, dass viele Polen diese Forderung teilen. Doch lassen sich die Folgen dieses Krieges 80 Jahre danach nicht mehr rückabwickeln und auch nicht entschädigen. Jedenfalls nicht über das hinaus, was bereits geschehen ist. Die Reparationsdebatte führt zu nichts Gutem.

Deutschland ist zwar auch rechtlich nicht mehr in der Pflicht zu materiellen Reparationen. Es ist aber gerade gegenüber Polen in einer besonderen Pflicht zu einer Politik der guten Nachbarschaft, der vielfältigen Kontakte und der echten Freundschaft. Ähnlich wie zu Frankreich, doch dieses Niveau ist längst nicht erreicht. Die Bringschuld liegt vor allem auf deutscher Seite. Dazu gehören auch symbolische Gesten. Ein Denkmal oder Museum, das an das polnische Leid erinnert, fehlt noch immer in Berlin. 80 Jahre nach dem Angriff auf die Westerplatte ist es allerhöchste Zeit, das zu ändern.

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