Der Größenwahn ist olympischer Maßstab

Die umstrittenen Winterspiele in Sotschi

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: Judith Michaelis

Die Meteorologen im russischen Sotschi haben seit Tagen Rechtfertigungsdruck. Das Wetter am Schwarzen Meer ist zu gut. Sonne, blauer Himmel, 14 Grad. Der Verdacht kam auf, die russische Luftwaffe sorge mit Chemikalien dafür, dass Wolken ihre Regenlast loswerden - ohne sie über Sotschi zu ergießen.

So viel zum Ausmaß des Vertrauens, das die Welt dem Gastgeber der 22. Olympischen Winterspiele entgegen bringt. Es tendiert gen Null. Weil Präsident Wladimir Putin seine Sommerresidenz mit fast 40 Milliarden Euro in einen passablen Wintersportort hat umrüsten lassen. Zum Schaden von Bevölkerung und Natur. Und dieser Aspekt ist nur ein Tropfen im Meer der Probleme.

Um es konkreter zu machen: Die USA haben zwei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer verlegt, obgleich Olympia als völkerverbindendes Fest des Friedens gilt. Das deutsche Bundeskriminalamt gibt den Athleten Leitfäden an die Hand. Motto: Wie rette ich bei Olympia mein Leben? Die spannungsgeladenen ehemaligen Sowjetrepubliken liegen nicht fern, Terror droht. Die Gefahr liegt in diesem Olympia von Sotschi begründet. Ein Sportfest, das die Politik als Bewohner ins Haus gelassen hat und die Sportler allenfalls mal als Besucher hineinlässt. Putins demokratiefeindlicher Kampf im Innern und gegen die Teilrepubliken fördern den Terror. Aber auch jener Gigantismus der Spiele: Schlittenhunde schleppten die olympische Fackel in die Arktis, ein Eisbrecher transportierte sie zum Nordpol, Kosmonauten nahmen sie per Rakete sogar mit ins All. Größenwahn, wie ihn Putin liebt. Und wie er sich fortsetzen wird. Dass die Fackel auf ihrem kosmischen Weg einige Male erloschen war, ist bezeichnend. Jene wie IOC-Chef Thomas Bach, die von Amts wegen Sotschi verteidigen müssen, sprechen von der Kraft des Sports, die die Welt verändern kann. Aber die Welt ist hier in Sotschi nur Kulisse. Und das echte Russland mit seinen Problemen bleibt außerhalb der Festung. Wer die Kraft des Sports beschreit, wird keinen Gigantismus benötigen. Noch heute gelten die Spiele von Lillehammer 1994 in Norwegen als die schönsten aller Zeiten. In einer Zeit, als der Größenwahn Putins noch nicht Maßstab auch für Olympier war.

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